Fragen und Antworten zur Pflege: Der Weg ins Ungewisse

Trier/Mainz · Die Pflege alter Menschen wird zum Kraftakt. Rechnungen zeigen, wie stark die Region Trier betroffen ist.

Ein Fernsehauftritt reichte Alexander Jorde, um bundesweit bekannt zu werden. In der Wahlarena der ARD kritisierte der junge Krankenpfleger Bundeskanzlerin Angela Merkel und schimpfte, wie überlastet Pfleger in ihrem Beruf seien. Auch in Rheinland-Pfalz fehlen genügend Helfer. Die neuen Zahlen des Statistischen Landesamtes dazu, wie viele Pflegebedürftige es in den kommenden Jahrzehnten geben wird, erhöhen den Druck in Rheinland-Pfalz nun noch einmal.

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Was sind die wichtigsten Aussagen des Statistischen Landesamtes für die Region?

Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt an. Laut Statistischem Landesamt erhöht sie sich von 14.751 auf 19.956 im Jahr 2035 und auf 28.655 im Jahr 2060.

Welche Kreise sind besonders betroffen?

Besonders betroffen ist der Kreis Trier-Saarburg, wo es in den nächsten 18 Jahren einen Anstieg von etwa 3800 auf gut 5600 Pflegebedürftige geben dürfte. In der Vulkaneifel ist mit etwa 600 Pflegebedürftigen mehr zu rechnen, in Bernkastel-Wittlich mit 1200, im Eifelkreis Bitburg-Prüm mit etwa 900 und in der Stadt Trier mit gut 550. Nach Aussage von Ludwig Böckmann, Autor der Studie, steigt die Zahl besonders in den Kreisen, wo sich vermehrt junge Familien niedergelassen haben, die dort bleiben werden.

Was ist der Grund für den Anstieg an Pflegebedürftigen?

Die Gesellschaft wird immer älter. Bereits jetzt leben in Rheinland-Pfalz mehr als 1,1 Millionen Menschen, die älter sind als 60 Jahre. Die Zahl soll bis 2035 um weitere 300.000 steigen. Dem Statistischen Landesamt zufolge steigt mit zunehmendem Alter ohnehin die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden. Bei über 90-Jährigen liege die Quote bereits bei 63 Prozent.

Gibt es künftig denn genügend Plätze, um ältere Menschen zu pflegen?

Geht es nach dem Statistischen Landesamt, dann fehlen bereits im Jahr 2035 Tausende stationäre Plätze. In der Region Trier wäre der Kreis Trier-Saarburg mit 351 fehlenden Plätzen am stärksten betroffen, eher glimpflich liest sich die Lücke im Eifelkreis Bitburg-Prüm mit zwölf Plätzen. Zugleich steigt der Bedarf an anderen Stellen. Nach den Berechnungen steigt die Zahl ambulanter Pflegebedürftiger in der Region von heute etwa 3700 auf 5025 im Jahr 2035. Pflegegeld, das nun in etwa 6700 Fällen im Raum Trier fließt, soll schon in 18 Jahren fast 8800-mal in Anspruch genommen werden.

Wie sind die Zahlen einzuordnen?

Politiker, Pfleger und Landesamt sagen nahezu mit einer Stimme: Uns überraschen die Zahlen nicht. Regine Schuster von der rheinland-pfälzischen Pflegegesellschaft erwartet ein noch dramatischeres Ausmaß. Sie sagt, die Zahl von Pflegebedürftigen, um die sich Familien kümmerten, sei für die kommenden Jahrzehnte gar nicht absehbar. "Im Jahr 2035 leben viele Angehörige schon gar nicht mehr in der Nähe ihrer Eltern." Das könnte wiederum einen noch höheren Bedarf an stationären und ambulanten Plätzen bedeuten.

Wie soll die Pflege die Betreuung stemmen?

Vorschläge gibt es einige. Gerald Gaß, Vorsitzender der Landeskrankenhausgesellschaft, erhofft sich mehr Möglichkeiten für Pfleger, akademisch geschult zu werden. Liege der Anteil nun bei unter fünf Prozent, soll das künftig für jeden fünften Pfleger gelten, hofft er. Das könnte mehr Kräfte binden. "Pfleger könnten dann gerade im Krankenhaus höhere Aufgaben übernehmen, bei besserer Bezahlung." Gaß sagt aber auch, dass jeder Einzelne in der Gesellschaft bereit sein müsse, mehr Geld zu zahlen, um die Pflege personell besser auszustatten. Jörn Simon, Landesvertretungsleiter der Techniker Krankenkasse, sieht Chancen in der Digitalisierung. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Wäschenbach setzt darauf. Er sagt: "Einfache Möglichkeiten der Raumüberwachung, der Medikamentenversorgung, Mahlzeitenunterstützung oder Prävention und Dokumentation könnten Personal oder Pflegebedürftige unterstützen."

Und wie steht es um die Qualität der Pflege?

Auch die ist zu steigern, sagen Experten. Ursula Weibler-Villalobos, Vizegeschäftsführerin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, sprach jüngst bei einer Veranstaltung der CDU-Fraktion von Fällen, in denen eine Pflegekraft pro Nacht bis zu 80 Menschen betreue. Dennis Dacke von Verdi Rheinland-Pfalz fordert, die Personalschlüssel anzupassen: "Viele Pfleger sind Überzeugungstäter, verlieren aber die Lust, können nicht mehr entspannen und steigen wegen Überlastung aus dem Beruf aus." Kritisch sieht Markus Mai von der Landespflegekammer daher Forderungen, die Fachkraftquote abzusenken. Darunter würde die Qualität der Pflege leiden, warnt er. Mai setzt sich dafür ein, bei Pflegeeinrichtungen die Ausschüttung von Erlösen an Aktieninhaber zu begrenzen. Das Geld solle im Unternehmen bleiben.

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