Frauenquote und Betreuungsgeld bringen Union aus dem Tritt

Berlin · Kanzlerin Angela Merkel könnte bei der Abstimmung über das Betreuungsgeld Schiffbruch erleiden - wenn sie Kritiker in ihrer CDU nicht noch dafür erwärmt. Heute trifft sie sich mit der Gruppe der 45 Frauen der Unionsfraktion.

Berlin. Die Sitzung der Unionsfraktion am Dienstagnachmittag war für Angela Merkel nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Bei einer Vorabstimmung zum Gesetz über das Betreuungsgeld votierten 15 Abgeordnete dagegen. Weitere acht enthielten sich. Bliebe es dabei, wäre das hoch umstrittene Vorhaben im Bundestag gescheitert. Auch deshalb trifft sich die Bundeskanzlerin heute mit der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, um ihnen ins Gewissen zu reden. Weiteres Thema dürfte eine feste prozentuale Frauenquote in den Aufsichtsräten von Unternehmen sein, auf die viele Unionsfrauen entgegen der offiziellen Parteilinie dringen.
Zwischenzeitlich sollte daraus sogar ein Junktim werden - gibst du uns die Quote, akzeptieren wir das Betreuungsgeld, das nur jenen Eltern zustehen soll, die ihr Kind nicht in eine Kita schicken (siehe Hintergrund). Doch dieser Deal ist vom Tisch, nachdem FDP-Generalsekretär Patrick Döring bereits zu Wochenbeginn heftig dagegen gewettert hatte. Beim Betreuungsgeld, dem Lieblingsprojekt der CSU, wollen sich die Liberalen notgedrungen in die Koalitionsdisziplin fügen. Eine Frauenquote jedoch lehnen die allermeisten von ihnen schon im Interesse der Wirtschaft ab.
So werden jetzt andere Kompensationsmöglichkeiten für die unzufriedenen Unionsfrauen diskutiert. Wohl ganz im Sinne Merkels hatte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt dazu schon der Arbeitsgruppe der Familienpolitiker in der Fraktion einen Besuch abgestattet. Dort stellte sie eine Umsetzung des alten Vorschlags über verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder in Aussicht, allerdings unabhängig von der Einführung des Betreuungsgeldes. Auch bei der Idee der Unionsfrauen, Mütter besser in der Rente abzusichern, signalisierte Hasselfeldt Entgegenkommen. Die Sache müsse "unabhängig vom Betreuungsgeld weiter diskutiert" werden.
Allenfalls Zukunftsmusik


Hierbei dürfte den Unionsfrauen allerdings klar sein, dass substanzielle Verbesserungen hohe Kosten verursachen und deshalb allenfalls Zukunftsmusik sind.
Ein Friedensangebot könnte auch sein, das Betreuungsgeld um ein halbes Jahr zu verschieben. Dann würde es erst am 1. August 2013, also zeitgleich mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz starten.
Der Haken: Die CSU will partout nicht über derlei Korrekturen verhandeln.
Aber vielleicht erweist sich ja die Opposition noch als bester Verbündeter der Unionsfrauen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann kündigte am Mittwoch an, dass seine Partei das Gesetz nach der entscheidenden Abstimmung im Bundestag am 29. Juni so lange wie möglich im Vermittlungsausschuss schmoren lassen will, sofern sich eine Mehrheit im Bundesrat dafür abzeichnet. Und im Falle eines Regierungswechsels im Herbst 2013 werde die SPD das Betreuungsgeld komplett kippen. Nur die Bestandsfälle könnten dann noch mit der Leistung rechnen, so Oppermann. Neuanträge würden nicht mehr entgegengenommen.
30-Prozent-Zielmarke



Bliebe noch die Frauenquote, die sich viele Unionsfrauen auch gänzlich unabhängig vom Betreuungsgeld wünschen. Seit dem Vorjahr sorgt eine "Berliner Erklärung" für Furore, zu deren Erstunterzeichnern auch mehrere Parlamentarierinnen von Union und FDP gehören. Demnach sollen "mindestens 30 Prozent" der Aufsichtsräte weiblich besetzt sein. Zur Durchsetzung dieser Zielmarke erwägen die Unionsfrauen einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag im Bundestag, was freilich der Koalitionsdisziplin ins Gesicht schlägt. Das dürften die Rebellinnen heute auch von Merkel zu hören bekommen. Dabei kann sich die Kanzlerin auch auf eine neue Untersuchung stützen, wonach der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der großen Dax-Unternehmen seit Anfang 2011 ohnehin von 13,4 auf 18,2 Prozent gestiegen ist. Dass sich die Unionsfrauen damit zufriedengeben, ist allerdings zweifelhaft.Extra

Eltern sollen künftig ein Betreuungsgeld erhalten, wenn sie für ihre Kinder zwischen dem 13. und 36. Lebensmonat kein staatlich gefördertes Angebot in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen. Die Kritiker sprechen von einer "Fernhalteprämie" oder "Herdprämie", die Koalition von "Wahlfreiheit" bei der Kinderbetreuung. Das Betreuungsgeld soll ab dem 1. Januar 2013 zunächst nur für Kinder im zweiten Lebensjahr mit 100 Euro monatlich starten. Ab dem Jahr 2014 soll das Geld auch für Kinder im dritten Lebensjahr gezahlt und für alle auf 150 Euro monatlich erhöht werden. Die neue Leistung wird nach dem Gesetzentwurf auch dann ausbezahlt, wenn beide Elternteile berufstätig sind und Großeltern, Verwandte, Freunde oder ein Au-pair-Mädchen das Kind betreuen. dpa

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