Freie Entfaltung für die Natur

Mainz · In einem Schutzgebiet im Hunsrück, im Hochwald und in Teilen des Saarlands kann sich bald die Natur frei entwickeln. Der Landtag hat gestern dem Gesetz zur Errichtung des ersten Nationalparks in Rheinland-Pfalz zugestimmt. Pfingsten soll er öffnen.

 Symbol für die Tier- und Pflanzenwelt, der die Einrichtung des Nationalparks zugute kommen soll: Der Hirschkäfer wird in der Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ geführt. Foto: iStock

Symbol für die Tier- und Pflanzenwelt, der die Einrichtung des Nationalparks zugute kommen soll: Der Hirschkäfer wird in der Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ geführt. Foto: iStock

Mainz. Die Mehrheitsverhältnisse sind klar, das politische Vorhaben ist gesichert. Das sorgt bei den rheinland-pfälzischen Grünen derart für Begeisterung, dass sie schon vor der Entscheidung im Landtag zu einem Sektempfang mit Freunden und Gönnern des neuen Nationalparks einladen (siehe Extra). Nur die CDU-Opposition entdeckt Wermutstropfen im Freudenkelch. Ihr ist keinesfalls nach Feiern zumute.
Aufhalten kann die Union das Projekt nicht. Rot-Grün hat es schon als eines der wichtigsten Ziele im Mai 2011 im Koalitionsvertrag festgehalten und gestern endgültig beschlossen. Aber wenigstens ihren Unmut will die CDU bekunden. Dafür tritt der Eifeler Abgeordnete Michael Billen als Landwirt und Jäger an.
Süffisant zitiert Billen aus einem Gutachten, das die frühere Umweltministerin Margit Conrad (SPD) 2005 beauftragt habe. Darin heiße es, pro Festmeter Holz werde ein Umsatz von 3300 Euro erzielt. Da dem Markt durch den Nationalpark 100 000 Festmeter Holz verloren gingen, würden 330 Millionen Euro Wirtschaftskraft vernichtet. "Viel Spaß beim Sektempfang - dazu kann ich nicht gratulieren", ätzt Billen. Er zeigt auch auf, das Projekt koste das Land jährlich 15 Millionen Euro, die dann im Landeshaushalt etwa für weitere Polizisten fehlten. "Das können wir uns nicht erlauben." Während der CDU-Politiker den Nationalpark als wirtschaftlichen Flop bezeichnet und kritisiert, die Landesregierung habe sich "mit Versprechungen die Zustimmung (der CDU-geführten Kommunen vor Ort) erkauft", sehen SPD und Grüne das anders. Die Skeptiker seien weitgehend überzeugt worden, nur die CDU lasse die Region im Stich, sagt der SPD-Politiker Hans-Jürgen Noss. Billen habe "selbstgefällig wie immer" den Tunnelblick der CDU aufgezeigt, ergänzt der Grüne Andreas Hartenfels. Die Union schaue nicht in die Region hin-ein und auch nicht auf das Engagement der Bürger. Sie ignoriere deren "klaren Arbeitsauftrag".
Laut Hartenfels belaufen sich die Kosten für das Land keinesfalls auf 15 Millionen Euro jährlich, sondern auf höchstens sechs Millionen. Die CDU ignoriere Aussagen von Experten. Das sei "beschämend". Der Grüne betrachtet das Votum für den Nationalpark als "besonderen Tag für eine beispielhafte Bürgerbeteiligung, einen aktiven Naturschutz und eine zukunftsweisende Regionalentwicklung". Sein Urteil: "Es ist ein Tag zum Feiern."
CDU-Politiker Billen entgegnet, nicht seine Fraktion habe einen Tunnelblick, vielmehr hätten die Grünen Scheuklappen auf. Ihre Motive seien rein ideologisch.Extra

Die Einladung der Grünen zu einem Sektempfang mit Nationalpark-Befürwortern noch während der Landtagssitzung hat zu einer Intervention der CDU mit Blick auf die Geschäftsordnung des Landtags geführt. Bislang habe es keine Parallelveranstaltungen, durch die grundlegende parlamentarische Abläufe gefährdet würden, gegeben, kritisierte Hans-Josef Bracht. Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) sagte, das sei "ohne Frage ein Stilbruch" und werde noch im Ältestenrat besprochen. Die Grünen hätten eine Verkettung unglücklicher Umstände angeführt, und die CDU möge "diesen Ansatz einer Entschuldigung annehmen".fcgHintergrund

Der grenzüberschreitende Nationalpark Hunsrück-Hochwald wird an Pfingsten eröffnet. Er erstreckt sich über eine rund 10.000 Hektar große Waldfläche, die etwa zu einem Zehntel im Saarland liegt. Es ist der erste Nationalpark beider Länder - und der 16. in Deutschland. Sein Gebiet berührt die Landkreise Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich und Birkenfeld sowie St. Wendel im Saarland.
Anders als in Rheinland-Pfalz war die Einrichtung des Parks im Saarland politisch unumstritten. In Rheinland-Pfalz gab es Widerstand - vor allem im Bereich Morbach mit der dort ansässigen Holzindustrie. Nach mehreren Bürger-Dialog-Veranstaltungen sprachen sich in einer Abstimmungsrunde Ende 2013 schließlich über 80 Prozent der kommunalen Räte für das Konzept aus.
Mit der Ausweisung des Nationalparks soll sich das Schutzgebiet über 30 Jahre schrittweise und vom Menschen weitgehend unbeeinflusst natürlich entwickeln und zur Wildnis werden. Dies gilt vor allem für die sogenannte Naturzone, die 75 Prozent der Fläche ausmacht. 25 Prozent wiederum werden als sogenannte Pflegezone ausgewiesen, die weiter bewirtschaftet werden kann. Das Land will bei der Einrichtung des Nationalparks auf vorhandene Ressourcen und Personal aus dem forstlichen Bereich zurückgreifen. ax

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