Freihandelspakt mit Kanada bringt Kritiker auf den Plan

Brüssel · Diesen Freitag findet der EU-Kanada-Gipfel statt. Der gemeinsame Freihandelspakt Ceta gilt als kleiner Bruder des geplanten Abkommens mit den USA. Auch er enthält das so heftig umstrittene Klagerecht für Konzerne gegen Staaten.

Brüssel. Die Geheimniskrämerei endet Punkt 15 Uhr an diesem Freitag. Dann wird die EU-Kommission den 1500 Seiten langen Text des Comprehensive Economic and Trade Agreement (Ceta) veröffentlichen, über den sie mehr als fünf Jahre lang hinter verschlossenen Türen mit der kanadischen Regierung verhandelt hat.
Lange hat sich kaum jemand für das Projekt interessiert. Erst die Kritik an der mit den Vereinigten Staaten geplanten Freihandelszone, abgekürzt TTIP, lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass die EU mit den Kanadiern bereits eine Art Blaupause für das Großvorhaben schafft. Entsprechend fordern die Gegner das Aus für beide Abkommen - etwa bei einem europaweiten Aktionstag am 11. Oktober. Freilich wird nun mit der Veröffentlichung erst wirklich klar, was da zur Annahme oder Ablehnung auf dem Tisch der europäischen Regierungen, des Europaparlaments und möglicherweise auch des Bundestags liegt. Denn bisher haben nur einige Hundert Seiten und die groben Fakten ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden.
So soll das Handelsvolumen zwischen beiden Partnern, wenn 98 Prozent der Zollschranken fallen und die neuen Einfuhrregeln greifen, um fast ein Viertel steigen, Europas Wirtschaft um zwölf Milliarden Euro im Jahr wachsen. Das ist viel Geld, entspricht aber andererseits nur rund 0,1 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung. Der Dienstleistungssektor für Banken und Versicherungen oder im Schifffahrtssektor wird liberalisiert, europäische Unternehmen können künftig an öffentlichen Ausschreibungen selbst der kanadischen Provinzen teilnehmen. Und dann sind da die heiklen Bereiche Lebensmittel und Investitionsschutz. Als Verhandlungserfolg wertet die europäische Seite im Agrarbereich, dass geografische Herkunftsbezeichnungen geschützt bleiben.
Kein Hormonfleisch


Die Kanadier können somit auch künftig keinen "Parma Ham" oder ihr eigenes "German Beer" in Europa verkaufen. Zudem darf die EU mehr Käse nach Kanada liefern. Im Gegenzug dürfen zusätzlich 75 000 Tonnen Schweinefleisch und 45 838 Tonnen Rindfleisch in die EU importiert werden. Und weil gerade hormonbehandeltes Fleisch auch eines der größten Aufregerthemen rund um die Gespräche mit den USA sind, sagt einer der Verhandler mit Kanada: "Wir werden von nirgendwoher hormonbehandeltes Fleisch importieren - weder aus Kanada oder aus den USA noch vom Mond."
Und auch der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, erkennt an, dass der mit Kanada gefundene Kompromiss durchaus Vorbildcharakter haben könnte, weil sich das Land dazu verpflichtet hat, eine eigene Rindfleischproduktion ohne Hormone aufzubauen. Lange hält Ceta daher für "ein relativ gutes Abkommen". Bis auf einen großen Haken. "Ein Abkommen mit ISDS wird keine Mehrheit im Europaparlament finden", sagt Lange. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das "Investor State Dispute Settlement", ein Schiedsverfahren, das Investoren Klagen gegenüber Staaten vor einer Art Privatgericht ermöglicht.
Einst als Absicherung gegen willkürliche Enteignungen ausländischen Kapitals in Unrechtsregimen gedacht, besteht nun die Sorge, Konzerne könnten Schadenersatz einklagen, wenn neue Umwelt- oder Sozialgesetze ihren Gewinn schmälern. In Deutschland sind diese Bedenken längst in der Regierung angekommen. "Es ist völlig klar, dass wir diese Investitionsschutz-Regeln ablehnen", sagte etwa Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag im Bundestag. Dessen Handlungsspielraum müsse gewahrt bleiben. Lange und Gabriel fordern daher Nachverhandlungen, die der scheidende EU-Handelskommissar ablehnt.
Extra

Was würde passieren, wenn in deiner Klasse jeder reden würde, wann er wollte? Das gäbe ein ziemliches Durcheinander, oder? Deswegen gibt es in der Schule Regeln. So ist das auch bei Politikern im Deutschen Bundestag. Bei ihren Sitzungen haben diese viele Themen zu besprechen. Wie zum Beispiel auch am Donnerstag. Viele Politiker im Bundestag hatten etwas zu sagen. Der Präsident ruft sie nacheinander auf. Er bestimmt, in welcher Reihenfolge gesprochen wird. dpa

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