Feuerwehr Freiwillige Feuerwehr kämpft um ihre Zukunft

Trier/Bitburg/Pirmasens/Koblenz · In Rheinland-Pfalz brennt es in manchen Dörfern und Städten bei der freiwilligen Feuerwehr. Die Mitgliederzahlen sinken, die Anforderungen steigen. Die Verantwortlichen setzen auf ein „Zukunftspapier“.

 Höchste Alarmstufe: Freiwillige Feuerwehren klagen über Nachwuchsmangel. Ein Strategiepapier soll in Rheinland-Pfalz helfen, die Not zu lindern.

Höchste Alarmstufe: Freiwillige Feuerwehren klagen über Nachwuchsmangel. Ein Strategiepapier soll in Rheinland-Pfalz helfen, die Not zu lindern.

Foto: dpa/Julian Stähle

Wenn es brennt, soll sie in wenigen Minuten vor Ort sein und notfalls Leben retten. Wenn es wie zuletzt in Rheinland-Pfalz kräftig regnet und die Keller volllaufen, muss die Feuerwehr anrücken, um sie auszupumpen. Was aber, wenn keiner kommen kann? „Viele unserer freiwilligen Helfer sind sehr engagiert, aber sie arbeiten nicht in unserer Stadt“, sagt Jürgen Stilgenbauer, Feuerwehrdezernent der Stadt Pirmasens. „Wenn tagsüber ein Alarm losgeht, sind unsere Feuerwehrleute in Kaiserslautern, Landau oder Zweibrücken, also zu weit weg.“ Deshalb benötige die Stadt eine große Anzahl an Feuerwehrleuten, die körperlich und psychisch geeignet seien. Aber genau daran mangelt es.

Der Präsident des Landesfeuerwehrverbands Rheinland-Pfalz, Frank Hachemer, kennt die Probleme. 51 000 Mitglieder haben die freiwilligen Feuerwehren im Land, 61 000 waren es noch vor zehn Jahren. „Mittlerweile stagnieren die Zahlen auf deutlich niedrigerem Niveau“, sagt Hachemer. Mit einem „Zukunftspapier“ und neuen Vorschlägen will sein Verband gegensteuern.

Für die Finanzierung der Feuerwehr sind die Kommunen verantwortlich. Aber auch aus Mainz fließt Geld: 2017 haben die rheinland-pfälzischen Brandschützer 23,6 Millionen Euro aus der Feuerschutzsteuer vom Land erhalten, wie das Innenministerium mitteilt. Gedacht war dieses Geld etwa für die Ausbildung von Personal, vorbeugenden Brandschutz sowie sonstige Investitionen von Gemeinden und Landkreisen in den Brand- und Katastrophenschutz. Laut Ministerium flossen alleine „rund 13,9 Millionen Euro unter anderem in die Förderung des Baus von Feuerwehrhäusern oder die Anschaffung neuer Feuerwehrfahrzeuge in den Kommunen“. Die Feuerschutzsteuer ergebe sich anteilig aus den Prämienzahlungen für Feuer-, Wohngebäude- sowie Hausratversicherungen.

Verbandspräsident Hachemer berichtet, dass in manchen Gemeinden Feuerwehren bereits geschlossen worden seien, weil die Mitglieder und das Geld fehlten. Andere Wehren seien langfristig ernsthaft bedroht. Wie viele Feuerwehren das genau seien, sei statistisch nicht erfasst. Manch eine Kommune könne nicht einmal eine neue Grundausstattung zahlen. „Ich kenne Fälle, da lag die Ausrüstung verschimmelt im Spind oder sie musste privat vervollständigt werden“, berichtet der Präsident. Dementsprechend brodelt es bei den Ehrenamtlern.

Weniger Probleme mit der Materialaustattung hat man in Bitburg. Dafür hatten dort im Mai 70 Feuerwehrleute gegen den Stadtrat protestiert und mit der Niederlegung ihres Ehrenamtes gedroht. Anlass waren Äußerungen eines Stadtrats, der die Feuerwehrleute als „übermotiviert“ bezeichnet hatte. Sie würden häufig über das Ziel hinausschießen, lautete ein weiterer Vorwurf. Das wollten die Wehrleute sich nicht gefallen lassen. Der Konflikt zwischen Wehr und Verwaltung schwelt in der Kreisstadt in der Eifel schon länger – und fand seinen vorläufigen Höhepunkt darin, dass der Bürgermeister ankündigte, den amtierenden Wehrleiter nicht für eine zweite Amtszeit zu ernennen.

Zugleich macht die Not erfinderisch. Wie bei der Tagesalarmbereitschaft, die durch pendelnde Arbeiter oft ausgedünnt ist. Jürgen Larisch, Kreisfeuerwehrinspekteur vom Eifelkreis Bitburg-Prüm, kennt das Problem, wenn Ehrenamtliche in Dudeldorf wohnen, aber viele Kilometer entfernt in Speicher arbeiten. Die Lösung: „Wer zu Hhause angekommen ist, kann bei einem Einsatz nachts mit der Dudeldorfer Feuerwehr rausfahren. Tagsüber helfen die Kräfte dann in Speicher, wenn die Feuerwehr dort ausrücken muss.“ Geht es um neue Mitglieder, wirbt die Feuerwehr im Kreis gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen wie dem Technischen Hilfswerk. Gut laufen auch die Nachwuchsfeuerwehren, sagt Larisch, auch wenn er sich da die Chance wünschen würde, dass Kinder früher einsteigen dürfen.

Peter Gerhards, Kreisfeuerwehrchef von Bernkastel-Wittlich, sieht eine Möglichkeit auch darin, mehr Quereinsteiger anzuwerben. Er denke dabei an Berufstätige, die auch schon älter als 30 Jahre sein dürften.

Laut Verbandspräsident Hachemer fehlen vor allem die Freiwilligen zwischen Ende 20 und Mitte 50. Viele in diesem Alter hätten Familie, seien im Beruf angekommen und wären eigentlich die ideale Zielgruppe. „Einige waren dann aber schon ein paar Jahre ehrenamtlich aktiv und wollen sich immer öfter auch mal anders orientieren.“

Hier setzt das „Zukunftspapier“ des Landesfeuerwehrverbands an. Es listet die Probleme auf und unterbreitet Vorschläge. So sollen künftig ehrenamtliche Lotsen des Landesverbandes als „Feuerwehr für die Feuerwehr“ im Einsatz sein. „Sie helfen bei allen möglichen Krisen innerhalb der Wehr oder mit der Politik, beraten und informieren auf Wunsch vor Ort“, erklärt Hachemer. Ziel sei es, einen derartigen Ansprechpartner pro Landkreis zu etablieren, derzeit sind neun ausgebildet. „Wir wollen so ein noch detaillierteres Bild der Lage erhalten, aber auch direkte Hilfe an die Basis bringen“, sagt Hachemer.

Außerdem sollen künftig gezielt Frauen und Zugezogene angesprochen werden. „In puncto Willkommenskultur muss die eine oder andere Mannschaft auch selbst noch dazulernen“, sagt Hachemer. Um Frauen aufzunehmen, fehlten mancherorts schlicht getrennte Umkleiden und Toiletten. „Das schreckt viele Frauen ab. Aber auch der Umgang untereinander in den Einheiten kann hier und da für Neue und Außenstehende offener werden“, meint Hachemer. Dem Feuerwehrfunktionär ist klar, dass auch viele andere Ehrenämter mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben. Aber, ergänzt Hachemer: „Bei den Blaulicht-Organisationen geht es im Ernstfall ums Überleben. Das ist ein Unterschied, der mehr Aufmerksamkeit verdient.“

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