Friede, Freude - Merkel?

Gut neun Monate vor der Bundestagswahl hat sich die CSU überraschend früh und eindeutig auf eine Koalition mit der FDP festgelegt. Ansonsten zeigte sich in der Klausurtagung in Wildbad Kreuth, dass die Partei die Probleme des Jahres 2008 noch nicht überwunden hat.

Wildbad Kreuth. In Bayern gibt es die schöne Tradition der "Lüftlmalerei". Mit illusionistischen Fassadenbildern sollen die bösen Geister vom trauten Heim ferngehalten werden. So gesehen wandeln die beiden CSU-Granden Horst Seehofer und Peter Ramsauer schon seit längerem wie "politische Lüftlmaler" durch die Republik: Sie lassen ihre Partei kräftiger erscheinen, als sie in Wahrheit ist, um die Gespenster des vorigen Jahres zu vertreiben. Doch in Wildbad Kreuth verpufft all der Dampf der vergangenen Wochen auf einmal. Die CSU steht bei ihrem Treffen in der Hanns-Seidel-Stiftung plötzlich vor der Frage: Soll man weiter brüllen wie ein bayerischer Löwe oder lieber zahm sein wie die Kutschenpferde, die vor der einstigen, königlichen Badeanstalt friedlich grasen?

Man schreibt die 33. Klausurtagung der CSU-Landesgruppe, eine Schnapszahl, und mitunter schwanken die Parteioberen ein wenig beduselt umher zwischen all ihren Konjunkturideen, Steuervorschlägen und Profilierungsversuchen.

Irgendwie will es nicht bergauf gehen



Es ist klirrend kalt, der Schnee funkelt, die Sonne und das Berg-Panorama, es ist alles wunderbar in dieser bayerischen Vorzeige-Idylle. Doch nur für die CSU will es irgendwie nicht bergauf gehen: Jüngste Umfragen sehen sie weiter klar unter 50 Prozent, mit Blick auf die Europawahl muss man sich erstmals sogar Gedanken darüber machen, ob man den Sprung ins europäische Parlament überhaupt schafft. Das macht nervös, in Kreuth ist dies zu spüren.

Der Verlust der absoluten Mehrheit im vorigen Jahr "war kein Betriebsunfall. Das war eine grundsätzliche Verschiebung der politischen Landschaft", räumt Parteichef Horst Seehofer ein. Die neue Führung hat deshalb geklotzt und einen gepflegten Steuerstreit mit der großen Schwesterpartei CDU angezettelt, um im Alpenland und dem Rest der Republik zu punkten. So wie früher Strauß und Stoiber. Seehofer ging sogar als Sieger vom Platz, auch, weil Kanzlerin Angela Merkel eine starke CSU für den eigenen Erfolg braucht. Doch im engen Keller des christsozialen Wallfahrtsortes, einem holzvertäfelten Kabuff im Charme der 70ger Jahre - Fensterblick auf Heuballen und Misthaufen inklusive - bekommen die 46 wie Schulbuben aufgereihten Landesgruppenmitglieder anderes zu hören, als sie erhofft haben.

Der falsche Gast, die falsche Taktik



Die Taktik ist falsch. Matthias Jung, den Chef der Forschungsgruppe Wahlen, haben sie sich eingeladen. Ausgerechnet den Hausdemoskopen der Kanzlerin, wird in der CSU gelästert. Und er räumt mit dem Polter-Mythos von Kreuth auf, indem er empfiehlt, auf keinen Fall auf einen dröhnenden, sondern auf einen harmonischen Wahlkampf zu setzen. Das wolle der Bürger. In ratlose Gesichter muss er blicken, "das war eine Kanzleramts-Darstellung", mosern nach der Analyse Jungs nicht wenige der auf Eigenständigkeit pochenden CSU'ler. Friede, Freude - Merkel? So soll die CSU ins Superwahljahr gehen? "Wir müssen uns jetzt schnell überlegen, wie es weitergehen soll", sagt einer.

Zunächst einmal antwortet die CSU mit einem 31-seitigen Konzept für das Superwahljahr 2009, in dem sie gebetsmühlenartig weitere Steuersenkungen auch nach der Bundestagswahl fordert, sich klar zur FDP als gewünschtem Koalitionspartner bekennt und erneut die Forderung nach einem NPD-Verbot erhebt. Am Montag im Koalitionsausschuss wird sich bereits zeigen, inwieweit sich die CSU mit ihrer Forderung tatsächlich durchsetzen kann. Hinter verschlossenen Kreuther Türen soll Seehofer damit gedroht haben, das zweite Konjunkturpaket an der Steuerfrage scheitern zu lassen. Die Mannschaft für das Superwahljahr steht überdies auch: "Bundes-Achter" nennt der Ministerpräsident seine Spitzenleute in Berlin, damit jeder weiß, wer verantwortlich ist, wenn dieser Achter im rauen Wahljahr nur auf den hinteren Plätzen landen oder gar absaufen sollte: Seehofer jedenfalls sitzt als Spitzenkandidat nicht mit Boot, das darf nun doch Ramsauer machen. Ob Seehofer ihm diese Aufgabe tatsächlich zutraut, ist fraglich: Das Anpreisen des Parteifreundes in höchsten Tönen fiel dem eigentlich mit viel schauspielerischem Talent gesegneten Seehofer vor der Presse nicht allzu leicht. "Lüftlmalerei" in Sachen Ramsauer muss der CSU-Chef also noch üben.

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