Friedensgrüße aus Moskau

Moskau · Erst verteidigt Außenminister Gabriel in Warschau die Aufrüstung der Nato. Dann predigt er in Moskau Abrüstung.

Moskau (dpa) Einen viel charmanteren Einstieg in die erste Pressekonferenz mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow hätte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel kaum finden können. Er habe soeben aus der russischen Delegation erfahren, dass Lawrow auf den Tag genau 13 Jahre im Amt sei, sagt er in die Kameras. "Ich gratuliere herzlich. Ich glaube, ich komme noch nicht mal auf 13 Wochen. Von daher bist Du mir sehr überlegen." Lawrow schmunzelt. Alles, was dann folgt, spielt sich aber auf Augenhöhe ab. Eine Stunde lang liefern sich die beiden Minister einen ungewöhnlich offenen Schlagabtausch - sehr hart in der Sache, aber einigermaßen freundlich im Ton. Am Ende hat man zumindest den Eindruck, dass die beiden miteinander umgehen können - auch wenn die Differenzen kein bisschen gewichen sind. Aber das war auch nicht zu erwarten.
Für Gabriel ist es der wohl schwierigste Antrittsbesuch, seit er Ende Februar das Außenamt übernommen hat. Als Wirtschaftsminister hat er Russland trotz aller Spannungen während der Ukraine-Krise mehrfach besucht, wurde immer von Präsident Wladimir Putin empfangen und setzte sich wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier für einen moderaten Kurs gegenüber Moskau ein. Zwischenzeitlich plädierte er sogar für eine schrittweise Aufhebung der EU-Sanktionen. Beim Koalitionspartner Union und auch bei den östlichen Bündnispartnern in der Nato kam das nicht gut an. Jetzt wird genau beobachtet, wie Gabriel Moskau gegenüber agiert.
Deswegen war er in der vergangene Woche zunächst einmal im Baltikum, am Mittwoch dann noch drei Stunden in Polen - also bei den Bündnispartnern, die sich seit der Krim-Annexion am stärksten von Russland bedroht fühlen. Dort verteidigte Gabriel die Stationierung von 4000 Nato-Soldaten, darunter mehrere Hundert Deutsche in Litauen, zur Abschreckung Russlands. Die Verantwortung dafür schob er ganz alleine Moskau zu. "Wenn Sie sich anschauen, welche gewaltige Militärmaschinerie dem gegenüber steht, dann kann man glaube ich nicht davon reden, dass die Nato oder der Westen eine Aufrüstungsspirale begonnen hätte."
In der Ukraine hatte er Russland sogar als "Aggressor" bezeichnet. In Moskau ist seine Botschaft eine ganz andere. Er würde gerne darüber reden, wie man wieder zu konkreten Abrüstungsschritten in Europa kommen könne, sagt er zu Lawrow gleich zum Auftakt des Gesprächs. Er fügt aber gleich hinzu, dass das heute noch "weit entfernt scheint", um den Widerspruch nicht ganz so offensichtlich wirken zu lassen. Bei Lawrow zeigt der Appell keine Wirkung.
Ob eine Entspannung mit Russland möglich ist, hängt alleine von einer Frage ab: Wie geht es weiter in der Ukraine? Deutschland und Frankreich haben in den vergangenen beiden Jahren vergeblich versucht, in dem Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen zu vermitteln. Der sogenannte Minsker Friedensprozess kommt einfach nicht voran. Moskau nehme die Europäer als Vermittler nicht ernst, sagen Kritiker. Jetzt gibt es die Idee, die USA einzubinden. Gabriel und Lawrow sprachen sich dafür aus - immerhin ein bisschen Einigkeit. Und wie sieht es mit anderen Streitthemen aus? Zum Beispiel Cyber-Krieg? Versucht sich Russland in Wahlkämpfe im Westen einzuschalten? "Alle diese Vorwürfe sind haltlos", sagt Lawrow. Gabriel: "Es gibt ja Gerüchte über alle möglichen Länder, die versuchen, uns zu beeinflussen. Wir halten das alles hoffentlich für ein Gerücht."
Ein Gespräch mit Putin stand diesmal auch wieder auf dem Programm des Vizekanzlers, diesmal im Kreml und nicht in Putins Residenz außerhalb Moskaus - allerdings ohne gemeinsamen öffentlichen Auftritt. Das sieht das Protokoll auch nicht vor. Von Putin werden von den russischen Nachrichtenagenturen anschließend wenige Worte verbreitet: "Unsere gemeinsame Aufgabe besteht darin, die Beziehungen vollständig zu normalisieren und die Schwierigkeiten zu überwinden, auf die wir stoßen." Spätestens Ende Juni ist Gabriel wieder in Russland, in Krasnodar, ganz in der Nähe der Krim. Dort soll es dann aber um ein ganz unverfängliches Thema gehen: Städtepartnerschaften. Und Putin lud am Donnerstag Merkel nach Moskau ein - und den künftigen Bundespräsidenten Steinmeier.HANDEL STOTTERT, MOTOREN LAUFEN


Extra

(sey) Das Handelsvolumen zwischen Rheinland-Pfalz und Russland ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen. Nach einer Antwort des Mainzer Wirtschaftsministeriums auf eine AfD-Anfrage wurden im vergangenen Jahr Waren für 709 Millionen Euro nach Russland exportiert; zwei Jahre zuvor waren es mit 885 Millionen Euro noch rund 20 Prozent mehr. Noch deutlicher ist der Rückgang bei den Importen. Sie gingen von 482 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 245 Millionen Euro im vergangenen Jahr zurück (alle Zahlen bezogen auf die Monate Januar bis November). Auf deutscher Seite sind vor allem die Ernährungsbranche und Genussmittel von den russischen Einfuhrverboten betroffen. Hersteller von Glaswaren, Motoren oder medizinischem Gerät verbuchten dagegen teils dreistellige Zuwachsraten bei den Exporten. Welche Auswirkungen der Rückgang des Handelsvolumens auf den rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt hat, ist dem Mainzer Wirtschaftsministerium nicht bekannt.

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