Fünf für den Élysée

Paris · Zwei Monate vor Frankreichs Präsidentenwahlen klärt sich das Kandidatenfeld. An der Spitze liegt Le Pen.

Paris "Rolling" nennt das Meinungsforschungsinstitut Ifop seine täglichen Umfragen zur französischen Präsidentenwahl. Seit Monaten zeigen die bunten Kurven eine Konstante: Marine Le Pen. Während ihre Konkurrenten mal nach oben und mal nach unten abweichen, liegt die Chefin des Front National (FN) unerschütterlich mit rund 26 Prozent in der ersten Wahlrunde an der Spitze. "Marine Le Pen ist die wahrscheinlichste Kandidatin für die Stichwahl", sagt der stellvertretende Ifop-Generaldirektor Frédéric Dabi. Um Platz zwei streiten sich der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron und der Konservative François Fillon, die dann die Stichwahl gegen die 48-jährige Rechtspopulistin gewinnen dürften.
Die potenziellen Wähler Le Pens sind aber deutlich sicherer in ihrer Entscheidung als beispielsweise die Wähler von Macron. Ihrer Zustimmung kann auch die Affäre um eine mögliche Scheinbeschäftigung nichts anhaben. Die Europaabgeordnete soll ihre Büroleiterin und ihren Leibwächter aus der EU-Parlamentskasse als Assistenten bezahlt haben, obwohl sie für den FN tätig waren. Von der Justiz will sich die Anwältin dazu erst nach den Parlamentswahlen im Juni befragen lassen. "Die Franzosen können genau zwischen echten Affären und politischen Intrigen unterscheiden", giftete sie.
Die "echte Affäre" war eine Anspielung auf Fillon, der nach seinem Sieg bei den Vorwahlen schon wie der nächste Präsident Frankreichs ausgesehen hatte, bis ebenfalls Vorwürfe der Scheinbeschäftigung seinen Höhenflug stoppten. Fillon stellte seine Frau Penelope und zwei seiner Kinder als Parlamentsassistenten an, und die Justiz muss nun klären, ob die Familie tatsächlich für ihn arbeitete. In jedem Fall erschütterte "Penelopegate" die Glaubwürdigkeit des selbst erklärten Saubermanns, der in Umfragen unter die 20-Prozent-Marke fiel. Ein weiterer Schlag für Fillon war die Entscheidung des beliebten Zentrumspolitikers François Bayrou, Macrons Kandidatur zu unterstützen. Damit fällt Bayrou nämlich als Konkurrent aus, der Macron wichtige Stimmen wegnehmen könnte. "Das zeigt den Aufstieg einer Kraft der Mitte, die fähig ist, die Wahlen zu gewinnen," kommentierte der sozialistische Abgeordnete Christophe Careche in der Zeitung Le Figaro die neue Allianz. Das traditionelle Zwei-Parteien-System aus Sozialisten und Konservativen, das jahrzehntelang in Frankreich galt, ist damit endgültig passé.
Macron, der sich als "weder rechts noch links versteht", brachte die Unterstützung Bayrous prompt zwei Prozentpunkte in den Umfragen dazu. Damit machte der Jungstar den Knick wieder gut, den seine Werte nach den Äußerungen über die französische Kolonialherrschaft verzeichnet hatten. "Das war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", hatte der 39-Jährige vorige Woche in Algerien gesagt und damit einen Sturm der Entrüstung von Politikern der Konservativen und des FN geerntet. Nächste Woche will der Jungstar sein Programm vorstellen und damit Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit ausräumen.
Der Ex-Wirtschaftsminister profitiert schon jetzt von der Schwäche der regierenden Sozialisten, die mit Benoît Hamon einen Linksaußen ins Rennen schicken. Der frühere Bildungsminister, dem sich Grünen-Kandidat Yannick Jadot anschloss, liegt in Umfragen nur bei gut 13 Prozent und damit fast auf einer Ebene mit dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Damit dürften fünf Kräfte um den Einzug in den Élysée kämpfen: FN, Konservative, Zentrum, Linke und Linksradikale. Der Fernsehsender TF1 trug der Entwicklung bereits Rechnung und lud nur fünf Kandidaten zur ersten Fernsehdebatte ein.

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