Für 20 Mark im Kämmerchen
Saarbrücken. Strafprozesse wegen sexuellem Missbrauch von Kindern sind Alltag für die Justiz. Und kaum einer geht hin, um sie sich anzusehen. Anders gestern vor dem Landgericht: Zahlreiche Medienvertreter und Zuschauer kamen in den größten Gerichtssaal. Kein Wunder, es ging um die erste Anklage mit Berührungspunkten zum Fall Pascal Z. aus Saarbrücken-Burbach.
Der damals fünf Jahre alte Pascal hatte am Nachmittag des 30. September 2001 die elterliche Wohnung verlassen und sich mit seinem Fahrrad auf den Weg gemacht, wohl zur nahen Kirmes. Aber der Junge und sein Rad verschwanden spurlos - bis heute. Was dem Kind an jenem Septembertag passiert sein dürfte, das scheinen die Ermittler, die zunächst monatelang im Dunkeln tappten, zumindest teilweise herausgefunden zu haben. Die entsprechende Spur hatten sie Ende 2002 aufgenommen, gut ein Jahr nach dem Verschwinden von Pascal. Sie begann nicht in Burbach sondern in Riegelsberg. Dort hatten ein 1995 geborener Junge, ein Spielkamerad von Pascal, und seine Mutter zeitweise bei einer Burbacher Wirtin gelebt. Und nachdem dieser Junge in einer Pflegefamilie untergebracht worden war, offenbarte er Ende 2002: Er sei zu Hause über Jahre sexuell missbraucht worden. Knapp drei Monate später platzte dann die Bombe: Der kleine Junge sei nicht nur zu Hause missbraucht worden, sondern auch in der Burbacher Kneipe der Wirtin mit dem Namen "Tosa- Klause". Auch Pascal sei dort das Opfer von Sexualstraftätern geworden. Am Tag seines Verschwindens sei er in der Abstellkammer der Kneipe missbraucht und dann wohl auch getötet worden, so das Fazit der Ermittler. Angeblich im Beisein von zwölf Personen, die unter dem Verdacht der Beteiligung an Missbrauch und Mord in Untersuchungshaft sitzen. Angeklagter wahrscheinlich vermindert schuldfähig
Damit zu dem 49 Jahre alten Angeklagten des Strafprozesses, der gestern zahlreiche Zuschauer und Journalisten in seinen Bann zog: Dieser Mann hat nach Feststellung von Staatsanwaltschaft und Gericht mit dem Verschwinden von Pascal offenbar nichts zu tun. Er soll aber zwischen Oktober 1999 und September 2001 einer der Kindersex-Kunden der "Tosa-Klause" gewesen sein und sich an den beiden bereits genannten Jungen vergangen haben. Auch an Pascal am Tag von dessen Verschwinden. Dazu sagte der von einem Gutachter als schwachsinnig und damit vermindert schuldfähig eingestufte Mann: Ein Bekannter habe gewusst, dass er auf Kinder stehe, und ihm den Tipp mit der "Tosa-Klause" gegeben. Also sei er dort hin, habe eine Flasche Bier bestellt. Dann habe ihn die Wirtin angesprochen, ob er wolle, es koste 20 Mark. Er sei einverstanden gewesen und ins "Kämmerchen" gegangen. Es handelt sich dabei, wie die Polizei rekonstruierte, um einen etwa fünf bis sechs Quadratmeter großen Abstellraum schräg hinter dem Tresen der Kneipe. Die befand sich damals in einer Art Baracke, bestand aus einem Raum mit Tresen, Stehtischen, Spielautomaten und Tischfußball. In dem "Kämmerchen" habe dann der kleine Junge gelegen, berichtete der Angeklagte. Es sei wohl das 1995 geborene Kind gewesen. Er habe ihm und sich dann die Hose heruntergezogen, sich an ihm vergangen. Als der Junge schrie, habe er ihm den Mund zugehalten. Anschließend sei er zurück in den Gastraum, habe sein Bier ausgetrunken, noch eins bestellt und dann bezahlt. Insgesamt sechzehn Mal soll der Mann laut Anklageschrift so diesen Jungen sexuell missbraucht haben. Der Angeklagte, der regelmäßig auf konkrete Nachfragen mit "weiß ich nicht" antwortet, kann sich an die genaue Zahl nicht erinnern. Auch nicht an Details zu dem Tag, an dem Pascal spurlos verschwand. Es sei ein Sonntag gewesen, erzählte er. Nach dem Mittagessen mit seiner Frau sei er noch in die Tosa-Klause gegangen. Dieses Mal sei es dann wohl Pascal gewesen in dem Kämmerchen. Er habe das alles während der Rekonstruktion bei der Polizei erzählt. Details wisse er aber nicht mehr genau. Jedenfalls sei er abends mit seiner Frau auf die Karaoke-Show des Oktoberfestes gegangen. Er habe dort auch auf der Bühne gesungen, Gassenhauer wie "Schöne Maid" und "Herzilein". Wie oft er sich zuvor an Pascal vergangen habe, das wisse er nicht mehr. Aber der Fünfjährige habe auch geschrien. Und er habe ihm dann den Mund zugehalten. Darauf der Anwalt von Pascals Familie: "Ist das ein Geständnis? Ich habe so viele ich weiß nicht' gehört. Ist das also ein rückhaltloses Geständnis?" Antwort des Angeklagten: "Ja."