Ganztags ist noch Ausnahme

MAINZ. Der Ausbau von Ganztagsschulen wird seit Jahren bundesweit propagiert, doch lediglich 13 Prozent der Schüler bis Klasse zehn nutzten 2004 entsprechende Angebote. Rheinland-Pfalz liegt nach einem aktuellen Bericht mit einer Quote von sieben Prozent gar am unteren Tabellenende.

"Ganztagsschulen" lautet eine der Lösungsformeln, wenn es um Konsequenzen aus dem deutschen Abschneiden in den Pisa-Studien geht. Trotz forcierten Ausbaus und eines Milliarden-Hilfsprogramms des Bundes nahmen laut neuestem Bericht der Kultusministerkonferenz (KMK) 2004 nur 1,1 von 8,7 Millionen Schülern (13 Prozent) an Grundschulen und im Sekundarbereich I am Ganztagsunterricht teil. Ministerium: Statistik wenig aussagekräftig

Während Thüringen, Berlin und Sachsen Teilnehmerquoten von mehr als 20 Prozent melden, liegt Rheinland-Pfalz trotz zweistelliger Zuwachsraten bei nur sieben Prozent und damit gleichauf mit Baden-Württemberg und knapp vor dem Saarland und Bayern mit fünf und zwei Prozent. "Wenig aussagekräftig" ist die KMK-Statistik nach Meinung von Johannes Jung vom Mainzer Bildungsministerium. Als Ganztagsschule gezählt wird in Rheinland-Pfalz, wer nach internationalem Standard vier Wochentage mit mindestens je acht Zeitstunden Unterricht und Förderung anbietet. Die KMK erkennt aber schon an, wenn mindestens drei Tage mit jeweils sieben Stunden Schulbetrieb organisiert werden. Wer in Thüringen nur einmal die Woche freiwillig das Angebot nutze, werde dort bereits gezählt, während in Rheinland-Pfalz strikte Anforderungen herrschten, so Jung. 2001 wurden Ganztagsschulen vom Land als Bildungsschwerpunkt ausgerufen und 304 Schulen eingerichtet. Damit gibt es ein Angebot an jeder fünften Schule - derzeit von 25 000 Schülern genutzt. Allerdings läuft der Betrieb auch an 15 kleineren Standorten, obwohl dort inzwischen die Mindestzahl gering unterschritten wird. Mit dem neuen Schuljahr kommen noch einmal 56 Schulen mit rund 7000 Anmeldungen hinzu. Der Trend zur Ganztagsschule ist laut Jäger ungebrochen. Am stärksten ist die Nachfrage an Grundschulen. Die Erfahrung zeigt, dass anschließend in der Sekundarstufe I das Interesse höchst unterschiedlich ist. Verpflichtet sich in den Klassen fünf und sechs noch fast jeder Zweite zum Ganztagsbesuch, bröckelt der Zuspruch später merklich ab und kann in Klasse zehn gegen Null gehen. Aus Sicht der Lehrergewerkschaften GEW und VBE sind die noch geringen Schülerzahlen der niedrigen Ausgangsbasis vor fünf Jahren im Land geschuldet. Gleichzeitig registrieren sie Akzeptanzprobleme, weil die Erwartungen der Eltern an den Lernerfolg sehr hoch seien. Die Gewerkschaften fordern daher "echte" Ganztagsschulen, an denen nicht nur Betreuung, sondern auch Unterricht den Nachmittag bestimmt.

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