"Gauck ist ein Menschenfischer"

Berlin · Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth sieht in Joachim Gauck einen würdigen Bundespräsidenten, der dem Amt wieder zu altem Glanz verhelfen kann.

Berlin. Mit Professor Langguth sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter. Herr Langguth, die Wulff-Affäre hat das Amt des Bundespräsidenten ziemlich ramponiert. Ist Joachim Gauck geeignet, dieses schlechte Image zu korrigieren?Langguth: Die These, dass das höchste Staatsamt in einer Krise steckt, kann ich so nicht erkennen. Das Amt hängt sehr stark von der Person ab, die es ausfüllt. Bei Joachim Gauck bin ich mir sehr sicher, dass er dem Amt wieder zu altem Glanz verhelfen kann. Warum?Langguth: Er ist ein Menschenfischer und ein guter Redner, er kann sich der Bevölkerung brillant mitteilen, und er wird auch Unbequemes sagen. Das ist schon eine ganze Menge für den ersten Mann im Staat. Scheinbar reicht das aber nicht aus. Bei seiner ersten Kandidatur vor zwei Jahren wurde Gauck noch wie ein Heilsbringer gefeiert. Jetzt regt sich auch deutliche Kritik. Wie erklärt sich das?Langguth: Gauck hatte nie etwas Messianisches an sich. Diese Eigenschaft wurde von der Öffentlichkeit in ihn hinein projiziert. Klar ist aber auch, dass man bei einem chancenlosen Kandidaten nicht ganz so genau hinschaut. Und das war Gauck ja vor zwei Jahren. Nun ist er gewählt, und da dürfte auch weitere Kritik nicht ausbleiben. Der Philosoph Peter Sloterdijk prophezeit, dass Gauck mit seinem pastoralen Stil viele Leute nerven wird. Sehen Sie das auch so?Langguth: Das mag in den Augen mancher Leute so sein. Aber Sloterdijk lag nicht immer richtig. Er ist ein großer intellektueller Dampfplauderer. Gaucks großes Thema ist die Freiheit. Kann er damit ein Präsident aller Deutschen werden?Langguth: Sein Verständnis von Freiheit, das sich aus seinen Erfahrungen mit der DDR-Diktatur speist, geht vielen Deutschen sehr nah. Gleichwohl sollte er auch andere Themen ausfüllen, wie er das in der kurzen Rede nach seiner Wahl ja auch schon selbst angedeutet hat. Im Moment erscheint Gauck noch sehr an der Vergangenheit orientiert, was mit seinem früheren Beruf als Stasi-Akten-Verwalter zusammen hängt. Nun muss er den Blick nach vorn richten. Die Probleme der Marktwirtschaft wären so ein Thema, aber auch die Ökologie und die neuen Technologien. Ex-Präsident Horst Köhler hat mehreren Gesetzen seine Unterschrift verweigert. Ist derlei Rebellion gegen die Bundesregierung auch von Gauck zu erwarten?Langguth: Nein, er wird keinen großen Konflikt mit Angela Merkel riskieren. Letztlich ist Gauck mit der Kanzlerin ein Herz und eine Seele. Beide haben zwar eine unterschiedliche Mentalität, aber die gleiche DDR-Herkunft. Das schweißt sie zusammen. Ist es ein Problem, dass mit Merkel und Gauck nun zwei ostdeutsche Persönlichkeiten an der Spitze des Staates stehen?Langguth: Nein, überhaupt nicht. Aber es war vielleicht ein Grund, dass Merkel sich lange gegen eine Präsidentschaft Gaucks sträubte. Denn jetzt hat sie natürlich ihren Monopolanspruch als Ostdeutsche verloren. Möglicherweise wird es Merkel auch stören, dass Gauck bessere Reden hält als sie. Aber sie dürfte damit souveräner umgehen als seinerzeit Kanzler Helmut Kohl, der unter dem Rede-Talent des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker förmlich gelitten hatte. Was wird von der Vorgänger-Präsidentschaft Christian Wulffs außer seinen Verfehlungen haften bleiben?Langguth: Wulff hat das Thema der Integration von Migranten positiv besetzt. Dieses Verdienst sollte man ihm hoch anrechnen.Extra

Gerd Langguth (65) ist Honorarprofessor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn, politischer Publizist und früherer CDU-Politiker. Im Rahmen seiner Lehrangebote setzt er sich mit Themen der Europäischen Integration, mit den Institutionen und den Parteien und politischen Entscheidungsprozessen in Deutschland auseinander.

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