Gefährliche Fracht auf der Schiene

Regelmäßig rollen sie durch die Region: Züge, die strahlendes Uranhexafluorid von Frankreich nach Nordrhein-Westfalen transportieren - unbemerkt von der Öffentlichkeit. Atomgegner machen nun mobil.

Trier. Hätte Ende Juni vergangenen Jahres wegen eines im Trier-Ehranger Güterbahnhof wartenden Zuges, der Uranhexafluorit geladen hatte, nicht das Strahlenmessgerät einer benachbarten Schrottverarbeitungsfirma Alarm gegeben, wüsste noch immer kaum einer von den regelmäßigen Nukleartransporten durch die Region. Nach Informationen von Atomkraftgegnern rollen die strahlenden Züge von der südfranzösischen Atomanlage Pierrelatte über Lyon, Nancy, Metz, Apach, Perl, Trier und Bonn ins nordrhein-westfälische Gronau in die einzige deutsche Urananreicherungsanlage. Nach dem Zwischenfall im Juni rollten nach Recherchen von Umweltschützern weitere dieser Transporte durch die Region, unter anderem im November und Dezember. Laut der Stop-Bure-Gruppe Trier, die sich gegen den Bau eines atomaren Endlagers im lothringischen Bure wendet, und Greenpeace finden alle zwei Wochen derartige Transporte über die französisch-deutsche Grenze bei Perl statt. Zum Teil soll auf den Güterzügen 250 Tonnen des hochgiftigen Stoffes transportiert werden, heißt es in einem Brief, den Atomgegner an den Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen geschrieben haben. Sie verlangen darin Aufklärung, ob die Stadt über die gefährlichen Transporte informiert ist. Bislang liegt ihnen noch keine Antwort dazu vor.Nach dem Zwischenfall in Trier wurde bekannt, dass die Bundespolizei über die Fahrten und Routen informiert ist und diese auch schützt. Beim Betreiber der Anlage, dem britisch-niederländischen Konsortium Urenco, an dem unter anderem die Energieversorger RWE und Eon beteiligt sind, hält man sich über die Transporte bedeckt. Eine Anfrage unserer Zeitung blieb gestern unbeantwortet. Auf der Internetseite informiert das Unternehmen, in dessen 1985 eröffneter Anlage in Gronau das Uranhexafluorid angereichert wird, um daraus Brennstäbe für Atomkraftwerke zu machen, dass es jährlich rund 270 Transporte per Zug gibt. Über die Strecken wird auf der Seite nichts gesagt. Die Gefahr, die von Uranhexafluorid ausgeht, wird von Urenco als gering eingestuft: Der Stoff sei nur "schwach radioaktiv, nicht brennbar und nicht explosiv". Bei der Freisetzung von Uranhexafluorid bestehe eine chemische Gefahr durch ätzende Flusssäure. "Die Gefahren beim Transport von Uranhexafluorid sind deshalb zu vergleichen mit den Gefahren beim Transport anderer ätzender Chemikalien", heißt es auf der Internetseite. Man habe verschiedene Unfallszenarien untersucht, man arbeite aber daran, die Feuerbeständigkeit der Transportbehälter weiter zu verbessern. Urenco zählt zu den weltweit vier großen Lieferanten von angereichertem Uran. Im vergangenen Jahr haben sich die Aufträge für die Anlage nahe der niederländischen Grenze fast verdoppelt. Daher ist eine Erweiterung in Gronau geplant. Atomgegner rechnen damit, dass sich die Zahl der Transporte dadurch erhöhen wird. In Protestaktionen wollen sie bundesweit auf die Atom-Transporte aufmerksam machen. Für Samstag, 12. Mai, 12 Uhr, rufen sie zu einer Kundgebung in Perl-Apach auf. Meinung Grob fahrlässig Regelmäßig rollen die Züge mit atomarer, hochgiftiger Fracht durch die Region, vorbei an Wohngebieten und belebten Bahnhöfen und kaum einer weiß davon. Selbst die Rettungskräfte an den Strecken sind nicht über die gefährlichen Transporte informiert. Diese Geheimhaltung ist grob fahrlässig. Die Bevölkerung kann nicht geschützt werden. Wie schnell es zum Ernstfall kommen kann, zeigte sich vor zehn Jahren, als ein Castor-Transport bei Apach entgleiste, und 2002 beim Zugunglück von Trier-Ehrang, als eine giftige Chemikalie entwich. Daraus sollten die Verantwortlichen lernen.

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