Gefühllos und unberührt

TRIER. Kann ein Ehemann, dessen Frau brutal ermordet wurde und der selbst auf der Anklagebank sitzt, so gefühllos sein? Warum zeigt Thomas B. keine Regung, wenn es um Details der Bluttat vom November geht? Der 45-jährige Gemeindearbeiter aus Nittel gibt bei dem Prozess um die Ermordung seiner 38-jährigen Frau vor dem Trierer Landgericht weiter Rätsel auf.

Wenn Thomas B. in Fußfesseln zu seinem Platz zwischen seinen Anwälten Guido Haas und Otmar Schaffarczyk geführt wird, blickt er wie immer erst in die komplett gefüllten Zuschauerreihen. Sieht er einen Bekannten, lächelt er, winkt ihm. Den Prozess verfolgt er aufmerksam, aber ohne Mimik, ab und zu spielt er mit seinen Fingern. Auch bei ihn belastenden Fragen reagiert er kaum. Er schüttelt nicht den Kopf, wird nicht wütend. Stoisch hört er einfach nur zu. Zum Beispiel, wenn eine Freundin seiner Frau, genau wie andere Zeugen vor ihr, erzählt, dass er sie samstags, als Michaela B. noch als vermisst galt, anrief und sagte, dass die Polizei vermute, Michaela sei erschlagen und vergewaltigt worden – was zu dieser Zeit keiner wissen konnte. Auch die Polizei hatte diese Vermutung nicht geäußert. Als die Frau, die Michaela B. seit ihrer Jugend kennt, ihn dann aber als ruhigen Mann und die Ehe der beiden als normal bezeichnet, würde man erwarten, dass er lächelt, sich entspannt zurücklehnt. Nichts. Fast unbewegt bleibt er sitzen, die Hände liegen meistens zusammengefaltet auf dem Tisch. Auch als ihm von einer anderen Zeugin vorgeworfen wird, er rede nur über "Geld und Sex" – keine Regung. Nur einmal zeigt er an diesem Verhandlungstag Gefühle. Als Richterin Irmtrud Finkelgruen ein Urteil des Amtsgerichtes Saarburg verliest: Thomas B. ist das Sorgerecht für seinen zehnjährigen Sohn, der bei Pflegeeltern lebt, entzogen worden. In diesem Augenblick schluckt er, hält die Hände vors Gesicht, seine Augen sind gerötet. Doch kurze Zeit später hat er sich wieder im Griff, verfällt wieder in eine Art Lethargie. Fast unbeteiligt starrt Thomas B. auf Bilder, die grausame Details zeigen. Ein Ermittler erläutert die mittels der fluoreszierenden Substanz Luminol sichtbar gemachten Blutspuren in der Garage, in einem Waschbecken, im Keller des Hauses in Nittel, im und am Wagen der Ermordeten. Auf einem an die Wand des Schwurgerichtssaals projizierten Bild sind in der abgedunkelten Garage deutlich die Umrisse einer auf dem Boden liegenden Person zu erkennen. Im Kopfbereich leuchtet das Lila besonders kräftig. Jeder Farbfleck bedeutet eine Blutspur. Blut, das eindeutig von der 38-jährigen stammt. Die Mutter von Michaela B. bricht in Tränen aus, muss immer wieder wegschauen, wenn grausige Details an die Wand geworfen werden, wie das Bild der blutbefleckten Jogging-Hose ihrer Tochter. Irgendwann erträgt sie es nicht mehr, geht aus dem Gerichtssaal. Thomas B. ist vollkommen unberührt. Für einige Zuschauer unfassbar. "Das Dreckschwein", sagt einer. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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