Gerangel auf dem Flur

TRIER. Der fünfte Verhandlungstag erwies sich als skurriler Höhepunkt in dem an Wirrungen keineswegs armen Bestechlichkeits-Prozess gegen den Salmtaler Bürgermeister Manfred Hower. Statt des für gestern erwarteten Urteils stehen nun aufwändige kriminaltechnische Untersuchungen auf der Agenda.

Es gibt Zeugen der Anklage, die sind ein Albtraum für jeden Staatsanwalt. Zum Beispiel solche, die auf die Frage des Gerichts, ob sie mit dem Angeklagten verwandt seien, antworten: "Gott sei Dank nicht". Richter lieben Zeugen "ohne Belastungstendenz", wie es in der Fachsprache heißt. Wem der Hass auf den vermeintlichen Täter aus jedem Knopfloch quillt, reduziert den Wert seiner Aussage erheblich.Der Zeuge Günter G. macht sich nicht die Mühe, seine Abneigung gegen den Mann auf der Anklagebank zu verbergen. Er schimpft, droht, beleidigt Manfred Hower ("Ein Verbrecher, wie er im Bilderbuch steht") derart, dass ihn die Vorsitzende Richterin ein übers andere Mal zur Mäßigung mahnen muss.

G.s Aussage ist wichtig für diesen Prozess. Nicht wegen einer möglichen Strafe für den Betrug, den er Hower vorwirft. Der Vorgang aus dem Jahr 2000 ist formal verjährt. Aber ein überzeugend untermauerter Vorwurf, der Ortsbürgermeister habe sich an privaten Grundstücksgeschäften bereichert, wäre der Sargnagel für die Glaubwürdigkeit des Politikers. Und in diesem Verfahren, das sich auf vage Indizien und widersprüchliche Aussagen stützen muss, ist Glaubwürdigkeit eine elementare Frage.

Günter G. will beim Kauf eines Grundstücks im Jahr 2000 neben dem Kaufpreis von rund 14 200 Euro weitere 5200 Euro bar an den Bürgermeister bezahlt haben. Angeblich, damit dieser das Geld neben dem offiziellen Notarvertrag schwarz an die Verkäuferin weiterreiche. Hower habe das selbst so gefordert. Aufgeschreckt durch die Prozessberichte, habe er geahnt, dass dieser das Geld für sich behalten habe, und es zurückverlangt. Nachdem Hower nicht habe zahlen wollen, sei er dann zur Polizei gegangen.

Als Beweis präsentiert der 46-Jährige einen unterschriftslosen, auf Computer oder Schreibmaschine getippten Zettel, eine Art "Quittung" für die Schwarzgeld-Zahlung. Bei der Polizei hatte er vor wenigen Tagen noch behauptet, es sei um eine Vermittlungs-Provision für Hower gegangen - eine Version, die er nun zurücknimmt. Es wimmelt von Widersprüchen in seiner Aussage. Die Modalitäten der angeblichen Geld-Übergabe, die Gründe für seine Zahlungsbereitschaft: Lauter offene Baustellen, trotz Nachfragen des Gerichts.

Belastungszeuge ist der Anklage nicht geheuer

Verteidiger Roderich Schmitz braucht die Brechstange gar nicht erst anzusetzen. Oberstaatsanwalt Hans-Peter Hemmes ist der Belastungszeuge offenbar selbst nicht ganz geheuer. "Kann es sein, dass Sie die Quittung selbst verfasst haben, weil es keinen anderen Beweis gab?", fragt er. Doch Günter G. bleibt bei seiner Darstellung. Die Verteidigung begnügt sich mit der dezenten Andeutung, der Zeuge könne womöglich wegen der Zahlung hoher Anliegerbeiträge sauer auf den Ortsbürgermeister sein und versuche, sich das Geld auf diese Weise zurückzuholen.

Ein Hauch Königlich-Bayerisches Amtsgericht hält mit der Aussage des Grundstücksverkäufer-Ehepaars Einzug im Schwurgerichtssaal. Der aus dem Saarland angereiste Ehemann ist in seinem Mitteilungsdrang nicht zu bremsen, erzählt munter von Fußballspielen und Beerdigungen, Geschäften und Eheleben, ohne sich von den verzweifelten Bemühungen der Kammer um eine Straffung der Aussage im Mindesten beeindrucken zu lassen. Das Publikum liegt vor Lachen auf den Stühlen, die Robenträger haben Mühe, die angemessene Würde der Justiz zu bewahren. Nur zur Sache gibt es wenig Neues, jedenfalls nichts, was den Angeklagten belastet. Es habe keine Nebenabreden gegeben, die 14 200 Euro für das Grundstück seien "ein völlig korrekter Preis" gewesen.

Kurz vor Toresschluss überfällt die Staatsanwaltschaft eine Erleuchtung. Man könne doch die "Quittung" auf Fingerabdrücke untersuchen und so feststellen, ob der Angeklagte tatsächlich der Verfasser sei. Aber das corpus delicti ist offensichtlich nie zu den Akten genommen worden, der Zeuge G. schleppt das Original einfach mit sich herum. Er zieht es aus der Tasche, wedelt aufgeregt damit herum und legt es dann dem Oberstaatsanwalt auf den Tisch. Der ruft erschreckt nach einer Plastik-Hülle, um das wichtige Beweismittel zu sichern. Und ein angesichts des ganzen Debakels sichtlich gut gelaunter Angeklagter bietet freundlich an, seine Fingerabdrücke zwecks Vergleichs freiwillig zur Verfügung zu stellen.

Die letzte Steigerung kommt zum Finale: Der Verhandlungstag neigt sich dem Ende zu, da stürmt der draußen wartende Zeuge G. plötzlich in den Saal. Er sei von einem Zuschauer auf dem Gerichtsflur an Leib und Leben bedroht worden, ruft er.

"Der spinnt", antwortet der so Beschuldigte. Der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz langt's: Sie weigert sich, den Vorgang aufzunehmen. "Da müssen Sie zur Polizei gehen", bescheidet sie den empörten Zeugen G. Danach regt sie an, das Verfahren für diesen Tag zu beenden. "Das hat unter diesen Umständen keinen Sinn mehr", sagt sie mit resigniertem Unterton.

Weil die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung der "Quittung" und des bürgermeisterlichen Druckers abgewartet werden müssen, gibt es diese Woche kein Urteil mehr. Zumal Manfred Hower selbst noch gar nicht Stellung genommen hat. Das Verfahren soll am 15. Mai fortgesetzt werden.

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