Gesetz und Wirklichkeit

Menschen, die andere pflegen, sollen eine Plattform haben, um über Probleme und gute Beispiele reden zu können: den Pflegestammtisch in Trier. Bei der Premiere waren allerdings pflegende Angehörige in der Minderheit.

Trier. Ihre Mutter leidet seit einiger Zeit an Demenz. Die Tochter kann die Seniorin nicht mehr allein lassen, muss sie mehr oder weniger rund um die Uhr betreuen. 100 Euro im Monat für die sogenannte allgemeine Betreuung hat die Pflegekasse der Frau bewilligt. Pflegebedürftig im Sinne des Pflegegesetzes ist die kranke Seniorin aber nicht. 21 Minuten benötige die Tochter, um die Mutter zu waschen und zu pflegen, haben die Gutachter des Medizinischen Dienstes (MDK) festgestellt. Zu wenig, um in die Pflegestufe I zu kommen und damit als erheblich pflegebedürftig zu gelten. Mindestens 90 Minuten täglich muss die notwendige Hilfe betragen, um Pflegegeld zu bekommen.

Ein Beispiel, vorgetragen beim ersten von Gesundheitsministerin Malu Dreyer initiierten Pflegestammtisch in Trier. Es zeigt, dass zwischen dem Anspruch, Betroffenen eine menschenwürdige Pflege zu bieten und Angehörige zu entlasten, und der Realität oft eine riesige Lücke klafft. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die Gutachter des MDK es nicht leicht haben. Im Auftrag der Pflegeversicherung sollen sie in 20 Minuten bei dem Pflegebedürftigen feststellen, ob ihm Geld zusteht oder nicht. Man müsse sich eben an die gesetzlichen Bestimmungen halten, es gehe schließlich um Beitragsgelder, die nur in begründeten Fällen gezahlt werden dürften, sagt Gundo Zieres, Geschäftsführer des MDK Rheinland-Pfalz. Vor dem Hintergrund zunehmender Pflegebedürftigkeit, dürfte der Druck zunehmen, noch sparsamer mit den Geldern aus der Pflegekasse umzugehen. Genau dieser Spagat zwischen gesetzlichen Vorgaben und der davon abweichenden Situation der Betroffenen führt immer wieder zu Konflikten.

Es sind aber genau diese Probleme, die Dreyer auf den von nun an regelmäßig geplanten Stammtischen diskutieren will. Betroffene und Pflegeprofis sollen sich bei den Runden austauschen - in lockerer Runde, aber nicht auf Stammtischniveau. Die Profis sind allerdings bei der Premiere unter den gut 100 Zuhörern in der Mehrheit. Daher gerät die Diskussion oft zum Fachgespräch, bei dem die Experten auf dem Podium (Daniel Kopp vom Seniorenzentrum der Barmherzigen Brüder, Regina Locker, Caritas-Beratungs- und Koordinierungsstelle, Uschi Wihr, Demenzzentrum, Cornelia Schilz von der Behindertenhilfe Club Aktiv) und die Fachleute im Publikum mit Paragrafen aus dem Sozialgesetzbuch um sich werfen. Wo es hakt - etwa bei der Frau, die in einer Behörde arbeitet, deren Vorgesetzter ihr den Sonderurlaub verweigert, wenn die Pflegekraft ihrer Mutter ausgefallen ist - das kommt an diesem Abend zu kurz. Ebenso wie das, was bei der Pflege gut läuft - etwa das Angebot für Tagespflege, durch das pflegende Angehörige entlastet werden, und die Beratung durch die neuen Pflegestützpunkte. Trotzdem sind Malu Dreyer und Mitinitiator Bernd Krönig vom Trierer Haus der Gesundheit zufrieden mit der Premiere. Am 2. März 2009 gibt es eine Neuauflage.

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