Geständnis in Etappen

TRIER. Überraschung kurz vor Toresschluss: Im Revisionsprozess über einen Fall von Geiselnahme und Vergewaltigung in Traben-Trarbach hat der mutmaßliche Täter ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Wesentlich später hätte es nicht sein können. Die Vorstrafen waren verlesen, die Beweisaufnahme weitgehend abgeschlossen, die Psychiaterin hatte gerade begonnen, ihr Gutachten über den Angeklagten abzugeben. Da meldete sich Verteidiger Thomas Ehrmann zu Wort und bat - zu diesem Zeitpunkt eher ungewöhnlich - um eine Sitzungsunterbrechung, um sich mit seinem Mandanten zu beraten. Zuvor waren die wenigen Zuschauer Zeugen eines ungewöhnlichen Vorgangs geworden: Der Angeklagte Michael R., der jahrelang seine Straftaten relativiert oder geleugnet hatte, zeigte sich zu Eingeständnissen bereit. Nachdem Richterin Irmtrud Finkelgruen das Urteil aus einem zwölf Jahre zurück liegenden Mordprozess verlesen hatte, räumte der 34-Jährige zum ersten Mal ein: Ja, so sei es gewesen. Stets hatte er den Tatverlauf bestritten, den das Gericht seinerzeit der Verurteilung zu zehn Jahren Jugendstrafe zugrunde gelegt hatte. Jetzt habe er "endlich mal durchgewischt" und sei "froh, dass der Brocken raus ist". Zunächst bezog sich die Geständnisfreude aber nur auf das weit zurück liegende Verbrechen, dessen Strafe längst verbüßt ist. Aber dem engagierten Verteidiger gelang es in mehreren Gesprächspausen, seinen Mandanten auch zur Offenheit in dem laufenden Verfahren zu bewegen.Verfahren immer wieder unterbrochen

Bis zur Schlussphase des Verfahrens hatte R. geleugnet, seine damalige Freundin 1999 vergewaltigt, verprügelt und wenige Tage später deren eineinhalbjähriges Kind aus dem Fenster gehalten zu haben, um sie zu nötigen. Nun räumte er, stockend und in Etappen, die Tatvorgänge ein. Es war kein leichtes Geständnis, auch deshalb, weil die Kammer es weder sich noch dem Angeklagten einfach machte. Sorgfältig, einfühlsam, aber auch unnachgiebig fassten die drei Berufsrichter nach, erkennbar bemüht, die Chance auf eine Klärung nicht kaputt zu machen. Der Angeklagte gestand, nach jedem Strohhalm der Entschuldigung oder Relativierung suchend, weniger gegenüber dem Gericht als gegenüber sich selbst. Zunächst die Bedrohung und Vergewaltigung, die er als aus dem Ruder gelaufenes sadomasochistisches Spiel darstellte. Dann die Faustschläge. Und schließlich, auf eindringliches Befragen und nach einer weiteren Sitzungspause, auch den Vorgang mit dem Kind. Dazu wolle er sich aber nicht weiter äußern, sagte Michael R. schließlich erschöpft. Das Gericht akzeptierte, kündigte aber weitere Detail-Fragen für die Verhandlung am kommenden Dienstag an. Die rechtliche Grundlage für das schwierige Verfahren, das vom Bundesgerichtshof an die Trierer Justiz zurück gegeben wurde, wird durch das Geständnis ein Stück stabiler. Eine große Erleichterung dürfte die Klärung für das Opfer sein, das bislang immer mit einem "Rest-Verdacht" leben musste, die angeklagten Verbrechen seien womöglich nur ein Fantasie-Produkt. Der Täter profitiert letztlich bei der Strafzumessung von einem Geständnis, auch wenn der späte Zeitpunkt die mögliche Milderungswirkung auf das Strafmaß spürbar verringert. Offen bleibt allerdings die Frage nach einer Sicherungsverwahrung. Ihre Beantwortung dürfte entscheidend vom noch vorzutragenden psychiatrischen Gutachten abhängen.

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