Gewerkschafter und Unternehmer ärgern sich schwarz

Trier/Freudenburg · Arbeiter schuften umsonst, das Geld bleibt aus, Unternehmer bedrohen Familien. Experten malen ein düsteres Bild von der Schattenwirtschaft im Bauwesen. Doch helfen alleine Kontrollen weiter?

Trier/Freudenburg. Die Geschichten von ausbleibenden Löhnen kennt Ileana Pfingstgräf-Borsos zur Genüge. Sie arbeitet beim Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen. Und sie berät Rumänen, Bulgaren und Bosnier, wenn diese Probleme mit ihrem Job in Rheinland-Pfalz haben. Häufig sieht Pfingstgräf-Borsos enttäuschte Gesichter. "Viele wollen ihre Familie in der Heimat ernähren, kommen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland - und werden enttäuscht."
Gar von "mafiösen Strukturen" spricht Markus Andler, stellvertretender Regionalleiter der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. "Manchmal werden bei einem Auftrag so viele Subunternehmer aus ganz Europa eingeschaltet, dass nicht mehr nachvollziehbar ist, wer der wirkliche Arbeitgeber ist." Leidtragende seien die Bauarbeiter, die aus fernen Ländern kommen und sich anstellen lassen, häufig, ohne ihre Rechte zu kennen. "Manche von ihnen bekommen ein paar Euro, andere kriegen nichts und werden bedroht."
Die Arbeit sei dafür hart, sagt Pfingstgräf-Borsos. Der Tag auf dem Bau dauere manchmal 13, 14 Stunden. Gingen Arbeiter früher, kassierten sie gerne mal Vertragsstrafen. Konflikte gebe es auch durch Wohnungen, die mancher Arbeitgeber zur Verfügung stelle. "Es kommt nicht selten vor, dass vier, fünf Leute auf 16 Quadratmetern zusammenleben müssen." Den Arbeitern drohten dann sogar noch hohe Mietabzüge. "Betroffene sagen dann nichts, weil sie Angst haben, auf der Straße zu landen." Markus Andler fordert so mehr Kontrollen auf dem Bau, um Skandale aufzudecken - doch nicht alle sind seiner Meinung.

Das sagt die Wirtschaft: Alois Metrich ärgern die Gauner in der Baubranche. Er ist Obermeister der Bau-Innung, führt Betriebe in Freudenburg (Kreis Trier-Saarburg) und Luxemburg. "Bei Privatleuten bekommen wir kaum mehr Aufträge, weil es Firmen gibt, die die Arbeit für bis zu 20 Prozent weniger Geld erledigen", klagt er. "Die Anständigen werden bestraft."
Metrich setzt sich für mehr Kontrollen auf Baustellen ein, um unseriösen Unternehmen Angst einzuflößen. Ihm schwebt eine Gewerbepolizei wie in Luxemburg vor, deren Einsätze er lobt. Die Handwerkskammer (HWK) in Trier warnt generell davor, nicht ausgebildete Arbeiter zu beschäftigen. Martin Klisch sagt, gegenüber Schwarzarbeitern bestehe kein Anrecht, Baumängel zu beseitigen.
Das sagen Gewerkschaften: Markus Andler von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert, dass der Bund den Zoll mit mehr Kräften ausstattet. 10 000 Mitarbeiter erhofft sich die Gewerkschaft bundesweit für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit - 6865 Stellen gibt es momentan, 600 sind allerdings unbesetzt. Das tadelt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Delio Bocchini von der Kreisgruppe Zoll Rhein-Mosel sieht den Grund für einen Kontrollrückgang in einer Strukturreform von 2015, durch die der Zoll das Augenmerk darauf lege, große Betrugsfälle zu prüfen und aufzudecken. Das koste Zeit - und gehe zulasten von Streifen, die immer seltener auf Verdacht bei Baustellen vorbeischauen. Er warnt: "Fühlen sich Täter zu sicher, steigen die Straftaten an."

Das sagt die Politik: Die neue Strategie gehe auf, heißt es dagegen vom Bundesfinanzministerium. Die Zahl der bundesweit abgeschlossenen Ermittlungsverfahren im Baugewerbe sei 2015 um zehn Prozent gewachsen. Auch das rheinland-pfälzische Arbeitsministerium lobt die Effizienz der Zollkontrollen.
Personell stellt der Bund der Zollverwaltung von 2017 bis 2022 zudem insgesamt 1600 zusätzliche Stellen bereit. Auch die Landesbehörden könnten künftig eigene Prüfbefugnisse erhalten, um Schwarzarbeit in Handwerk und Gewerbe zu bekämpfen. Diesen Gesetzentwurf aus Berlin lobt die rheinland-pfälzische CDU. Dem Land obliege es dann, erforderliches Personal zur Verfügung zu stellen.Extra

Nicht nur im Baugewerbe beklagen Gewerkschaften die Lohn-Verstöße. James Marsh vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) der Region Trier staunt häufig genug über Fälle, mit denen er sich konfrontiert sieht. Ein Beispiel aus der Praxis: In Verkaufsfilialen sei es schon vorgekommen, dass das Einräumen der Regale vor dem täglichen Betrieb und das Putzen nach Ladenschluss nicht zur Arbeitszeit gerechnet werde. "Trotzdem gehen dann zwei Stunden ins Land - und natürlich gehört das zur Arbeit dazu", sagt Marsh. Zwei andere Beispielfälle: Angestellte, die im Solarium arbeiteten, seien schon mit Tickets für die Sonnenbank bezahlt worden. Und ein Bäcker habe Mitarbeitern schon angeboten, Teilchen und Kuchen mitzunehmen - das Geld sei vom Lohn einbehalten worden. Marsh hofft auf mehr Zollkontrollen. Auch in kleinen Betrieben. "Man darf bei aller organisierten Kriminalität nicht die Verkäuferin in der kleinen Filiale XY aus den Augen verlieren." Die Handwerkskammer Trier sagt, alle gesetzlichen Vorschriften müssten eingehalten werden. Erhalte sie Hinweise auf Schwarzarbeit, leite sie diese an den Zoll weiter. florExtra

Das Hauptzollamt Koblenz kontrolliert Betriebe, um Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu bekämpfen. 2015 befragte es 10 570 Arbeitnehmer zu ihren Beschäftigungsverhältnissen und prüfte 1151 Arbeitgeber, ob Angestellte ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet waren. Dabei deckte es eine Schadenssumme von 10,5 Millionen Euro auf und leitete 721 Strafverfahren sowie 942 Bußgeldverfahren ein. 2014 waren es 3423 Strafverfahren, 1102 Bußgeldverfahren, eine aufgedeckte Schadenssumme von 19,9 Millionen Euro bei 14 000 Befragungen und 1469 Prüfungen. flor

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