"Grenzlage für immer weg"

TRIER. Ob es um die Förderung von zweisprachigem Unterricht oder den Austausch von Schülergruppen und Vereinen geht ­ die deutsch-französischen Gesellschaften in der Region Trier versuchen seit Jahrzehnten, den Elysée-Vertrag mit Leben zu erfüllen. Im TV -Interview spricht Hansjürgen Cornelius, Präsident der deutsch-französischen Gesellschaft Trier, über Hindernisse und offene Türen im Verhältnis der beiden Völker.

40 Jahre deutsch-französische Freundschaft. Was ist im Laufe der Zeit hängen geblieben? Was haben beide Völker erreicht?Cornelius: Auf jeden Fall ist damit erst die alte Erbfeindschaft zu einer Art Erbfreundschaft geworden. Hinzukommen verstärkte private Kontakte, die die eigentliche Grundlage einer Völkerverständigung sind, die aber immer wieder intensiviert und neu gegründet werden müssen. Private Kontakte sind der Baustein der deutsch-französischen Freundschaft, sagen Sie. Ist der Austausch an der Basis wichtiger als der politische Dialog? Cornelius: Der politische Dialog ist eine gewisse Basis, aber es kann sich nicht nur im politischen Dialog erschöpfen. Es fehlt den Politikern dann auch schnell die Grundlage für einen Dialog, wenn er nicht von den Völkern getragen ist. Welche Hindernisse wurden denn in den vergangenen 40 Jahren aus dem Weg geräumt? Cornelius: Das beginnt mit dem politischen Eingestehen, dass man nicht mehr Konkurrent ist, sondern Partner. Es gab ja lange den Kampf um die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft in Europa zwischen Deutschland und Frankreich. Hier hat man eine Grundlage geschaffen und sich darauf verständigt, dass man nicht gegeneinander arbeitet. Der zweite Punkt, der sich allerdings nur in der Breite verbessert hat, ist das gegenseitige Verständnis, beginnend mit der Sprache und fortgesetzt in dem Verständnis für die andere Kultur. Man braucht nur die Essgewohnheiten zu betrachten oder die Musik. In all diesen Bereichen ist das Verständnis gewachsen. Aber es muss noch weiter verstärkt werden. Die Deutschen sind also etwas französischer, die Franzosen deutscher geworden. Was haben Sie denn von den Nachbarn gelernt? Und was haben die Nachbarn von uns gelernt? Cornelius: Was in Deutschland, vor allem auch in Trier, eine Nachahmung findet, ist die französische Lebensart. Auch die französische Zivilcourage, das Bestehen auf eigenen Interessen, wird in Deutschland anerkannt und hoch geschätzt. In einzelnen Bereichen wie Kunst und Musik geht das dahin, dass Volker Schlöndorf das Buch "Der Erlkönig" des französischen Romanciers Michel Tournier verfilmt. Das wäre früher kaum geschehen. Das reicht bis zu den französischen Chansons, die in Trier mit Florence Absolu eine bekannte lokale Interpretin gefunden haben. Was in letzter Zeit zu beobachten gewesen ist, ist die Leistung französischer Ingenieure. So ist der Marktanteil der französischen Autos wie Renault und Peugeot bei uns stark gestiegen. Umgekehrt bewundern die Franzosen auch einiges an Deutschland, was sie verinnerlicht haben. Das ist im wirtschaftlichen Bereich das zähe Arbeiten an Ideen oder die Verlässlichkeit an Grundlagen und Vertragstreue. Vieles scheint erreicht worden zu sein, wenn man diese Palette anschaut. Was hindert die Menschen denn heute noch daran, näher zusammen zu rücken? Cornelius: Die gegenseitige Sprachkenntnis und damit auch das jeweilige Verstehen der Kultur und Lebensart ist sicher noch zu verbessern. Zumal ja auch immer wieder neue Generationen nachwachsen, die das wieder neu lernen müssen. Insofern ist das ein ständiger Prozess. Auch im politischen ­ wie jetzt beim deutsch-französischen EU-Kompromiss gesehen ­ sind in der gegenseitigen Zusammenarbeit auf der staatlichen Ebene noch größere Anstrengungen und mehr echte Gemeinsamkeiten wünschenswert. Die deutsch-französische Zusammenarbeit in einem Europa, das immer mehr zusammenwächst, hat sich nicht überlebt? Cornelius: Nein, sondern Deutschland und Frankreich gemeinsam sind der Motor oder das Herz Europas. Wenn die beiden einig sind und gute Ideen haben, werden sie den Rest Europas beeinflussen und überstimmen können. Was hat denn die deutsch-französische Freundschaft für die Region Trier gebracht? Cornelius: Leider vor fünf Jahren den Abzug der letzten französischen Soldaten. Für das Bild von Trier war das ein Verlust. Denn der Kontakt zu Frankreich, zur französischen Lebensart und zu Franzosen ist dadurch erheblich eingeschränkter und schwieriger. Die deutsch-französische Freundschaft hat aber generell den Vorteil, dass die frühere Grenzlage von Trier ­ hier hat ja kaum jemand investiert aus Angst, der nächste Krieg macht alles wieder kaputt ­ auf alle Zeiten weg ist. Dadurch gibt es größere Reisemöglichkeiten und Absatzmöglichkeiten für die Industrie und weniger erschwerte Bedingungen wie zum Beispiel Zollvorschriften. Diese Dinge haben sich spürbar und gerade für Trier und die Region verbessert. Mit Hansjürgen Cornelius sprach Sabine Schwadorf.

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