Gründen, gleiten und genießen

Trier · Kuchen futtern und Kalorien verbrennen: Das ist die Idee einer Konditorei in Trier, die zugleich auch Kletterhalle ist. Sie gehört zu den fast 4000 Firmen, die im vergangenen Jahr in der Region neu gegründet wurden. Für die wachsende Zahl an Unternehmen gibt es Gründe.

 Klettern und Kuchen essen geht auch gleichzeitig: Florian Leible macht es vor. TV-Foto: Jasmin Wagner

Klettern und Kuchen essen geht auch gleichzeitig: Florian Leible macht es vor. TV-Foto: Jasmin Wagner

Foto: (h_st )

Trier. Das Gebäck trägt lustige Namen wie Matterhörnchen. Und viele Menschen kommen in Trier-Nord nicht nur an die Ladentheke, um leckeren Kuchen zu kaufen. Viele Sportfans packen einfach ihre Freizeitklamotten aus und klettern einige Meter weiter an den Felswänden entlang. Nicht mit ganz so viel Adrenalin wie am Matterhorn, aber doch mit Nervenkitzel. Denn die Blockschokolade in einer alten Industriehalle ist Konditorei und Kletterhalle zugleich.
Gut ein Jahr ist es her, dass Sara Weichel und ihr Partner Rudolf Pull ihr Unternehmen eröffnet haben, in dem sie ihre beiden Leidenschaften vereinen. Backen und bouldern (das Klettern ohne Seil über Weichbodenmatten). "Hätten wir nur eine Konditorei eröffnet, hätten wir gar keine Zeit mehr für das Klettern gehabt. Das ist aber unser Hobby. Also haben wir eine Kombination aus beidem gemacht", sagt Weichel und lacht.
Ihre Konditorei ist wohl eine der verrücktesten neuen Firmen, die im vergangenen Jahr auf die Beine gestellt wurden. Noch viel mehr junge Unternehmer gab es aber, die sich den Schritt in die Selbstständigkeit trauten.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) meldet im jüngsten Gründerreport, dass in der Region Trier erstmals seit sechs Jahren wieder mehr Firmen angemeldet als abgemeldet wurden. Unternehmer gründeten im Jahr 2015 alleine 3954 neue Gewerbe in der Region, 3716 stellten dagegen den Betrieb ein. Unterm Strich bedeutet das 238 zusätzliche Firmen in der Region. Generell steige die Bereitschaft, eine Firma zu gründen. Anders als im gesamten Bundesland, wo die Gründungszahlen eher sinken (siehe Extra).
Warum die Region Trier erfolgreicher ist, vermag die IHK nicht zu erklären. Den Trend zur Selbstständigkeit belegt Existenzgründungsberater Kevin Gläser dagegen vor allem mit abhängig Beschäftigten, die zunächst häufig im Nebenerwerb ihre Geschäftsidee am Markt testen. Auch Frauen gehörten immer stärker zu den Existenzgründern. "Sie wollen häufig flexibel ihre Zeit einteilen, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können", sagt Gläser. Die meisten Betriebsgründungen erfolgten in der Region Trier im Handel und Gastgewerbe (35 Prozent).
Dazu zählt auch die Konditorei von Sara Weichel und Rudolf Pull. Für sie habe sich der Schritt gelohnt, erzählt die 35-Jährige. Auch wenn es kein leichter Weg gewesen sei. "Wir haben zwölf Stunden am Tag geöffnet. Und als es vor einem Jahr losging, haben wir auch noch den kompletten Putzdienst gemacht."
Doch die Strapazen haben sich ausgezahlt. "Am Anfang waren pro Tag 40 Menschen in der Halle, nun können es auch mal bis zu 180 sein." Einziger Wermutstropfen, so sagt Sara Weichel mit einem Lächeln: "Viel Zeit zum Klettern haben wir selber nicht. Die Freiräume müssen wir uns schon schaffen."Extra

Region Trier: Die meisten Firmengründungen in der Region gab es im Landkreis Vulkaneifel mit 18,4 neuen Betrieben auf je 10 000 Einwohner. Dahinter folgen die Stadt Trier (14,4) und der Eifelkreis Bitburg-Prüm (13,1). Rheinland-Pfalz: "Noch zufriedenstellend", so lautet das Fazit der Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern in ganz Rheinland-Pfalz im Gründerreport. Im gesamten Bundesland hat es im Jahr 2015 weniger Firmengründungen (34 985) als 2014 (35 153 gegeben). Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz, sagt: "Es ist eine wichtige Aufgabe, dass wir die Menschen stärker zum Schritt in die Selbstständigkeit ermuntern." Aus dem FDP-geführten Wirtschaftsministerium heißt es, Minister Volker Wissing wolle die Gründungsbereitschaft in der Legislaturperiode besonders fördern. flor

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