Grüne suchen Auswege

ANDERNACH. Nach dem Ausscheiden aus dem Landtag wollen sich die Grünen bis zum Jahresende neu aufstellen: Politische Ausrichtung, Parteistrukturen und personelle Besetzung stehen zur Disposition. Zentrale Frage dabei ist, ob es einen Weg zurück in die Zukunft gibt?

Die Grünen haben dazu gelernt. Mündete vor zehn Jahren die Aufarbeitung eines enttäuschenden Wahlergebnisses von 6,9 Prozent noch in ein wildes Hauen und Stechen, blieb es beim Parteitag in Andernach trotz des Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde und einiger Emotionen bei Selbstkritik und sachlicher Auseinandersetzung. Die Warnung der gescheiterten Spitzenkandidatin Ise Thomas vor einer "blutigen" Abrechnung wie 1996 verhallte nicht ungehört - zumal der Vorstand bereits im Vorfeld seinen vorzeitigen Rückzug für Herbst angekündigt hatte und so bereits eingereichten Abwahlanträgen den Boden entzog. "Wir konnten nicht überzeugen, das Produkt Grüne ist nicht gekauft worden", sagte Parteivorsitzende Tabea Rößner. Mit rund 81 000 Stimmen erreichte die Ökopartei bei der Landtagswahl nur noch halb so viel Zustimmung wie ein halbes Jahr vorher bei der Bundestagswahl und fliegt damit nach 19 Jahren aus dem Landtag. Themen wie Bildung und Familie sind nicht auf den Punkt gebracht und wirksam vermittelt worden, so die Erkenntnis des Vorstandes. Die Grünen seien in einer Sackgasse, alles müsse auf den Prüfstand, stellte eine Delegierte unter viel Beifall fest. Harte Kritik kam von Vertretern des linken Spektrums, die heftig Abgehobenheit von der Basis und ein Abrücken von urgrüner Themen kritisierten. Grundziele wie Gewaltfreiheit seien aufgegeben und Sozialabbau mitgetragen worden, schimpfte der Kaiserslauterer Kalle Kress. Ein stromlinienförmiges Programm, mit dem niemand auf die Füße getreten werde, monierten Redner, die statt Aussagen mit Ecken und Kanten nur noch "Seifenblasen" ausmachten und "Hasenfüßigkeit" anprangerten. Kritik gab es auch an Spitzenkandidatin Ise Thomas, die nach Angaben des früheren Landtagsabgeordneten Michael Henke "nicht das ausgestrahlt hat, was Grüne erwarteten". Thomas räumte strategische Fehler ein. Ihr Slogan von einem Wahlziel "Sieben plus XXL" habe viele in falscher Sicherheit gewogen oder gar mit Zweitstimme für Regierungschef Kurt Beck votieren lassen. Die Grünen hatten 5000 mehr Erst- als ausschlaggebenden Listenstimmen erhalten; mit den Erststimmen erreichten sie sogar einen Anteil von fünf Prozent. Von Aufforderungen nach einem Rückzug aus der ersten Reihe ließ sich Thomas, die auch indirekt die Arbeit ihrer Fraktionskollegen bemängelte, jedoch nicht beeindrucken. Sie stehe weiter bereit, vorne in der Partei mitzuarbeiten, ließ die Diplom-Psychologin wissen. Partei-Vize Seibel warnte davor zu glauben, ein kleiner Linksruck bringe alles wieder in Ordnung. "Zurück zu Kernthemen kann nicht heißen, neue Themen fallen zu lassen", so Seibel. Mit einer "Zukunftswerkstatt" und zwei weiteren Parteitagen wollen sich die Grünen nun bis zum Jahresende für ihre außerparlamentarische Oppositionszeit neu aufstellen.

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