Gruselabend mit glücklichem Ende

Trier · Trier atmet auf: Die Fliegerbombe in Bahnhofsnähe ist gestern um 23.35 Uhr entschärft worden. Der TV hat in der heißen Phase der Evakuierung nachdenkliche, gelassene und aufgeregte Menschen getroffen.

 Strassensperre in der Ostallee, Ecke Gartenfeld.

Strassensperre in der Ostallee, Ecke Gartenfeld.

Foto: Hans Krämer

Freitagabend, 19.30 Uhr an der Kreuzung Ostallee/Gartenfeldstraße. Jürgen Backes vom Presseamt der Stadt Trier empfängt die Journalisten zur Lagebesprechung. "Die Evakuierung vom Mutterhaus war damals viel aufwendiger", erinnert Backes an den Bombenfund von 2007. Diesmal liegt zwar kein Krankenhaus in der Gefahrenzone, aber fast 4000 Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen.

Punkt 20 Uhr schalten die Ampeln an der Kreuzung auf Dauer-Warnlicht. Polizeibeamte bereiten die Sperrung der Straße mit Schildern vor. Wenig später sind auch Reichsabtei und Christophstraße dicht.

Im Kebaphaus Oriental am Hauptbahnhof beobachtet die Belegschaft die Vorbereitungen mit gemischten Gefühlen: "Normalerweise haben wir gerade zwischen 20 und 22 Uhr viel Betrieb", sagt Ahmed Sinan. "Aber so machen wir eben mal früher frei und gehen in die City."

Um 20.25 Uhr schließen Bahnmitarbeiter schon den Haupteingang zum Bahnhof. Fahrgäste erreichen die Gleise noch außen herum.

Taxifahrer Helmut "Bonsai" Enck (74) hat im Zweiten Weltkrieg als Kind viele Bombenangriffe erlebt: "Ich weiß, wie es sich anhört, wenn so eine Fliegerbombe explodiert." Angst hat der Ur-Trierer aber keine, will am Bahnhof noch auf die Fahrgäste aus dem letzten Zug warten.

"Wir stehen absolut hinter den Jungs"

"Um 21 Uhr müssen auch Sie hier weg", erklären ihm zwei Bundespolizeibeamte. "Die Menschen aus dem Zug werden nachher mit einem Bus zum Simeonstiftplatz gebracht."

Auf der Terrasse des Café Lecca sitzen zwei Gäste, die langsam aufbrechen müssen. "Die Jungs vom Kampfmittelräumdienst haben das im Griff", ist sich Jörn Mackenbrock (30) aus Gusterath sicher."Wir stehen absolut dahinter und sind dankbar, dass die Jungs sogar ihr Leben riskieren." Reinhard Ommeln (47) aus Trier stimmt zu: "Ich kenne jemanden, der bei einer Entschärfung sein Augenlicht verloren hat. Da wird klar, was dieser Beruf bedeutet."

20.45 Uhr. Das Bahnhofsviertel verwandelt sich mehr und mehr in eine Geisterkulisse. Nur hinter wenigen Fenstern brennt noch Licht. Die Straßen sind wie leergefegt, bis auf offizielle Einsatzfahrzeuge. Polizisten wollen mit sogenannten Raumschutz-Fahrten mögliche Einbrecher abschrecken oder auf frischer Tat ertappen.

Für die Zeit während der Evakuierung sind drei Sammelstellen eingerichtet. In der Egbert-Grundschule hält sich der Andrang in Grenzen: Rund 40 überwiegend ältere Menschen harren dort aus. Katrin Ebbecke (47) und Dieter Reisig (55) vertreiben sich die Zeit mit Backgammon. "Schön, dass hier für alles gesorgt ist", sagt Dieter Reisig. "Es ist schon etwas gruselig, dass wir das Haus verlassen mussten", beschreibt Katrin Ebbecke die Szenerie.

Zeitvertreib mit Backgammon und Karten

Feuerwehr-Dezernent Thomas Egger macht sich vor Ort ein Bild und stellt zufrieden fest: "Die Menschen sind ordentlich untergebracht und versorgt. Die Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte funktioniert reibungslos."

Feuerwehr-Einsatzleiter Hans Hau notiert mehr als Transporte von hilfsbedürftigen Anwohnern durch Rettungsdienste in die Berufsbildende Schule an der Langstraße. Dritte Sammelstelle ist die Grundschule Kürenz.

240 Einsatzkräfte stellt die Stadt mit den Feuerwehren und den Schnellen Einsatzgruppen (SEG) von Rotem Kreuz, Johannitern, Maltesern und Technischem Hilfswerk. Hinzu kommen 80 Polizisten mit Verstärkung von der Bereitschaftspolizei Enkenbach aus der Pfalz.

Letztlich hängt alles von den Mitarbeitern des Kampfmittelräumdienstes ab. Und die müssen sich mehr anstrengen, als ihnen lieb ist. Um 23.35 Uhr dann die lang ersehnte Entwarnung: Die Bombe ist unschädlich gemacht und kann abtransportiert werden. Schnell verbreitet sich die Nachricht in der Stadt: Das Bahnhofsviertel ist gerettet, Triers Osten wieder bewohnbar.Chronologie

Mittwochmittag: Bei Erdarbeiten für den neuen Zustellstützpunkt der Deutschen Post am ehemaligen Güterbahnhof Trier stößt ein Baggerfahrer auf eine Bombe.

Mittwochnachmittag: Experten des Kampfmittelräumdienstes entscheiden: Die Bombe wird erst am Freitagabend entschärft.

Donnerstagabend: Feuerwehrmänner verteilen innerhalb des 500-Meter-Kreises um den Fundort Infozettel auf Deutsch und Englisch in den Briefkästen der Häuser. Kernsatz: "Als betroffener Bewohner müssen Sie Ihre Wohnung verlassen." Leicht missverständlich heißt es auch, nach Einschätzung von Experten gehe "von der Bombe keinerlei Gefahr aus".

Freitag, 20 Uhr: Die Sammelstellen in drei Schulen öffnen. Ein Fahrdienst holt Hilfsbedürftige ab.

21 Uhr: Einsatzkräfte riegeln die Gefahrenzone endgültig ab und kontrollieren, ob wirklich alle Gebäude evakuiert sind.

21.48 Uhr: Der für diesen Tag letzte Zug erreicht den Hauptbahnhof.

22 Uhr: Die Entschärfung beginnt.

23.35 Uhr: Die Bombe ist entschärft, die Zündladung gesprengt. Alle Bewohner können in ihre Häuser zurückkehren. (cus)

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