Heilen lohnt sich nicht

Ärzte haben wenig Zeit für Gespräche, Patienten und Kassen teils nur eigene Interessen im Blick. Unser Gesundheitssystem kränkelt an einigen Stellen. Und doch dürfen wir uns freuen.

Nein, jetzt ist es nicht mehr auszuhalten. Der Bauch schmerzt, ein Stechen fährt durch den Körper. Es ist Wochenende oder am Abend - da führt der Weg schnell ins Klinikum und nicht wie vielleicht tagsüber zum Hausarzt, der die Vorgeschichte mancher Krankheit kennt. Ab in die Notaufnahme - in die Schlange der Wartenden.
Da entpuppt sich mancher Notfall schnell als harmloses Wehwehchen. Teils, weil ein Patient nun einmal selbst schwer beurteilen kann, wie schlimm es ist. Teils, weil er oder sie den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte nicht kennt, der oft übrigens ebenfalls im Klinikum ist. Teils - und das ist besonders ärgerlich - weil er weiß, dass er schnell behandelt wird und der Wochenendtermin sowieso viel besser passt.
In dieser Woche haben Krankenhäuser in Trier auf ihre Probleme aufmerksam gemacht - die Notaufnahmen seien überlastet und unterfinanziert. Das ist übrigens nicht nur in unserer Region Thema. Ähnliche Phänomene finden sich in ganz Deutschland. Und auch, wenn es manchem wehtut: Zur Lösung werden sich Kliniken und niedergelassene Ärzte zusammentun und gemeinsam Patienten sortieren müssen. Das klingt schlimm, ist aber notwendig. So kommt jeder zu dem Arzt, den er benötigt. So ist die Behandlung der wirklichen Notfälle schnell möglich. Ein Problem dabei: Es geht schlichtweg ums Geld. Eigentlich werden Kliniken und Praxen, stationäre und ambulante Behandlung, aus verschiedenen Töpfen finanziert. Wenn Krankenhäuser ambulant behandeln, erhalten sie Gelder aus dem "anderen" Topf. Haus- und Fachärzte mit Praxis sorgen sich, dass ihnen dieses fehlt, die Kassen wollen nicht mehr zahlen. Das ist verständlich. Aber: Hier geht es um die beste Behandlung für Patienten. Darum, die Arbeit richtig aufzuteilen, um niemanden zu überlasten.
Kassen, Ärzte und Kliniken müssen sich an einen Tisch setzen - und die Politik teils schlichtweg Vorgaben machen.
Es ist nicht nur im Gesundheitssystem so: Viele haben zunächst die eigenen Interessen im Blick. Ärzte und Kliniken wollen mehr Geld, die Krankenkassen möglichst wenig zahlen, Patienten teils nicht nur die best-, sondern auch die schnellstmögliche und möglichst komfortable Behandlung.
Diese Konflikte gibt es an vielen Stellen. Dazu kommt ein kompliziertes System aus Punktwerten, begrenzten Budgets oder Fallpauschalen, das selbst Gesundheits experten kaum überblicken. Besonders abstrus: In vielen Fällen ist der Patient für einen Arzt am besten, der immer ein wenig krank ist, der keinen Wert auf Gespräche legt und nicht zu oft zur Behandlung kommt. Heilen lohnt sich nicht.
Und doch gibt es Beruhigendes: Trotz aller Probleme haben wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Ein Versicherungssystem mit wenig Lücken, Ärzte, die in Praxen und Kliniken hervorragende Arbeit leisten, ausgebildetes Pflegepersonal und immer noch viele gute Kliniken vor Ort. Das sollten wir schätzen, selbst wenn die Kosten für Gesundheit absehbar in den nächsten Jahren steigen werden. Und nun geht es um die passenden Rezepte für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, nicht um eine Operation am offenen Herzen.
t.roth@volksfreund.deDIE WOCHE IM BLICK

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