Heimspiel für Berlin-Geschädigte

Der Pfälzer Genussmensch Kurt Beck verkörpert nicht nur Lust am Leben, sondern auch Lust auf Macht. Nicht immer sind beide einfach unter einen Hut zu bekommen. Dann wird ein Landesfest schnell zur Erholung nach Berliner Strapazen.

Mainz. "Sooo, dann wollen wir mal." Kurt Beck schaut zufrieden und strahlend in die Runde. Gerade haben im Festakt zum 60. Geburtstag des Landes die Rheinland-Pfälzer von allen Seiten bescheinigt bekommen, in welch einem schönen und erfolgreichen Teil der Republik sie zu Hause sind: Wirtschaftsleistung, Bildung, Ganztagsschule, Konversion..., besser als Bundesratspräsident und Parteifreund Harald Ringstorff hätte auch Beck selber das Land in einer Regierungserklärung nicht loben können. Da macht es sichtlich Spaß, oberster Rheinland-Pfälzer zu sein.Vergessen ist die seit Wochen anhaltende und nicht gerade aufbauende Berichterstattung aus der Bundeshauptstadt über den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, seine schlechten Umfragewerte, eine fehlende politische Linie oder angeblich wachsende parteiinterne Kritik. Ein Landesfest in Mainz, das ist dagegen Balsam bei zunehmender Dünnhäutigkeit. Das ist ein Heimspiel für Berlin-Geschädigte.Vorne auf der Bühne haben sich zwei Schauspieler am historischen Kabinettstisch Gedanken über 60 Jahre Leben in Rheinland-Pfalz gemacht und dabei "hinter die Kulissen" geschaut. Helmut Kohl, das war doch ein Ministerpräsident, dem das Land zu klein wurde, und der dann nach Bonn ging - und schließlich Bundeskanzler wurde, heißt es da.

Und mit Rudolf Scharping zog es später auch einen seiner Nachfolger in die Bundespolitik, lautet die Ergänzung. "Doch damit endet auch schon die Parallelität", so die süffisante Umschreibung von Scharpings gescheitertem Höhenflug. In der ersten Reihe der Festgäste fängt die Kamera ein breites Grinsen bei Helmut Kohl und einen versteinerten Blick von Rudolf Scharping ein. Kurt Beck, der ambitionierte Ministerpräsident auf dem Sprung nach Berlin, wirkt in diesem Moment eher nachdenklich.

Doch bevor die Lust am Leben möglicherweise durch zu viel Nachdenklichkeit geschmälert werden könnte, stürzt sich Beck ins Festgetümmel. Der Landesvater kennt jeden - so scheint es zumindest. Ein "Hallo", ein freundlicher Gruß und die Aufforderung: "Fühlen sie sich wohl hier." Richtig herzlich geht's zur Sache, wenn Beck gute Bekannte trifft. Ein Plausch mit der Pfälzer Box-Legende Karl Mildenberger, eine innige Umarmung mit der 1954er FCK-Ikone Horst Eckel und Küsschen für die Mainzer Fastnachts-Stimmungskanone Margit Sponheimer.

Beck ist in Geburtstagsstimmung, preist vor zahlreichen Kameras und Mikrofonen von öffentlich-rechtlichen Sendern bis zum Westerwald-Fernsehen die Vorzüge des Landes und beschreibt die Rheinland-Pfälzer als lebensbejahende, engagierte und offene Menschen.

Es gibt den Dank des Gastgebers und ein Autogramm für den Koch am Büfett, schöne Grüße für die kleine Luise aus Niederwallmenach im Rhein-Lahn-Kreis, die vor zehn Jahren als viermillionstes Landeskind willkommen geheißen wurde.

Auch auf dem Weg zur Festmeile im Regierungsviertel entkommt kein Passant Becks Feierlaune. Es scheint, als wolle er die an diesem Tag so gerühmte rheinland-pfälzische Gastfreundschaft vorleben. Die Besucher des Bürgerfestes erreicht er im persönlichen Gespräch auf jeden Fall besser als mit seinem umfangreichen Lob auf das "Gemeinwesen" in der von vielen eher erduldeten Begrüßungsrede, in der er so gar nicht der Politikersprache entsagen kann.

Selbst offizielle Termine unterbrechen heute die Feierlaune nicht: Das Land und die Autobauer mit dem Stern übergeben dem Botschafter des Partnerlandes Ruanda einen tropentauglichen Allrad-LKW als Geschenk zur 25-jährigen Partnerschaft. Und da ist dann noch das alljährliche Beförderungsritual für die Ministerialbediensteten. Zwischen den Urkunden für Amtsinspektoren und Ministerialdirigenten wird in Wortungetümen von Beck das "Vorwärts Bringende" gelobt und dem "Auseinandertreibenden" eine Absage erteilt, bevor man wieder an den Festständen das normale Gespräche suchen kann und kaum einer ohne Händeschütteln davonkommt.

Doch am Abend, da stellen sich dann wieder die Berliner Nachrichten ein. Die neueste Umfrage zeigt: Die Stimmung in der Republik ist gut und alle profitieren. Einzig Kurt Becks Werte sind leicht gesunken. Seiner Lust auf Macht tut das keinen Abbruch, sind sich langjährige politische Wegbegleiter in Regierung und Fraktion sicher, die den potenziellen Kanzlerkandidaten nach der Wahl 2009 nach Sieg oder Niederlage in Berlin sehen.

Seine Lust am Leben beeinträchtigt es zumindest heute auch nicht.

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