Heitere Sozialdemokraten glauben an die eigene Kraft

Ludwigshafen · Mit demonstrativem Optimismus startet die Landes-SPD in den Bundestagswahlkampf. Zum Aufgalopp in Ludwigshafen stimmten Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Vertreter der 40 000 Sozialdemokraten im Lande auf die Wahlschlacht ein.

Ludwigshafen. Es gab mal Zeiten, da galt die Friedrich-Ebert-Halle als modernster Veranstaltungssaal im Lande. Inzwischen wirkt sie ziemlich in die Jahre gekommen, optisch rührend altmodisch und an manchen Stellen ordentlich lädiert.
Noch vor ein, zwei Jahren hätte die Landes-SPD gut in dieses Ambiente gepasst. Eine Partei mit altbackener Anmutung, geprägt vom Charme besserer, vergangener Zeiten, der Vormann ebenso angeschlagen wie gereizt.
Und jetzt? Eine gelöste, über weite Strecken geradezu heitere Partei. Kein bisschen verzagt, aber auch nicht mit jenem aufgesetzten Schleiflack-Optimismus, wie ihn Parteitags-Strategen gerne von oben verordnen - als ob sich das Publikum so leicht täuschen ließe.
Nein, die rheinland-pfälzische SPD scheint tatsächlich an ihre eigene Kraft zu glauben.
Diese wundersame Entwicklung hat mit der Art zu tun, wie Kurt Beck - selbst unter größtem Druck - seinen Abgang gestaltet hat: souverän, autonom und unter Hinterlassung einer Nachfolgerin, die ihm nicht nachsteht in der Fähigkeit, das Herz der Partei zu massieren. Locker wie lange nicht, scheint Beck den Parteitag regelrecht zu genießen. Sein Abgang hat, erstaunlich genug, keine Verletzungen hinterlassen - und für eindeutige Verhältnisse gesorgt.
Dass Malu Dreyer die Nummer eins ist, wird in jedem Moment des Parteitags deutlich. Je häufiger sie den Namen Roger Lewentz erwähnt - und sie tut es oft -, um so deutlicher wird, dass er eben nur der zweite Mann ist. Und dem wenig ausstrahlungskräftigen Parteichef scheint das sogar recht zu sein.
Dreyer wiederum, die auf ein Mal "ich" mindestens zehn Mal "wir" sagt, nutzt geschickt die Gnade der späten Berufung. Der Nürburgring, Becks Schicksalsthema, kommt bei ihr erst ganz am Ende der Rede vor, eine gute Minute vielleicht, ohne Blick zurück. Sie kann es sich leisten, weil ihr Vorgänger das Desaster quasi mit in den Ruhestand genommen hat.
Stattdessen sinniert die Ministerpräsidentin ausführlich über kommunale Finanz- und Strukturreformen - bei Beck eher ein Nicht-Thema. In Sachen Straßenbau attackiert sie die Bundesregierung, der enttäuschte Delegierte aus der Pfalz, dem die Verkehrspolitik der Mainzer Koalition nicht passt, bleibt ein einsamer Pfeifer in der Wüste.
Dreyers wichtigste Botschaft ist aber keine inhaltliche: Sie wirbt mit der Eindeutigkeit ihrer Politik, mit "klaren Linien", im Gegenzug zu dem, was sie bei der Bundeskanzlerin "Führungsverweigerung" nennt.
Bundestagswahl 2013


Das ist der Ball, den sie Peer Steinbrück zuspielt, dem SPD-Kanzlerkandidaten, dessen schulterklopfend-kumpeliger Einzug durch die Delegiertenreihen immer noch ein bisschen ungeschmeidig wirkt. Aber wenn der 66-Jährige erst einmal redet, dann herrscht gespannte Aufmerksamkeit.
Witzig, sogar (selbst-)ironisch geht er die Themen an, abseits von Wahlkampf-Phrasen auf dem Niveau von Waschmittel-Werbung, wie sie Generalsekretärin Andrea Nahles kurz vorher in den Saal gebellt hat.
Was der Kandidat da skizziert, ist auch kein inhaltsloser Pragmatismus, sondern ein gesellschaftlicher Gegenentwurf zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche.
Es geht gegen hemmungslosen Marktglauben - aber ein Linksruck ist das kaum. Auch Mitglieder und Anhänger der CDU-Sozialausschüsse oder katholische Arbeiterbewegte dürften sich in solchen Positionen wiederfinden, für die Steinbrück gern prominente Konservative wie FAZ-Kopf Frank Schirrmacher als Kronzeugen heranzieht.
Wenn man dem Kandidaten zuhört, fragt man sich, warum das so schiefgelaufen ist zwischen ihm und den Medien, denn im Grunde bietet er genau jene Mischung aus Sprachwitz, inhaltlichem Überbau und kantigen Positionen, die Journalisten immer einfordern.
Der Parteitag jedenfalls scheint sich nicht nur pflichtschuldig hinter dem Kanzlerkandidaten zu versammeln. Der Beifall nach der Rede Peer Steinbrücks klingt entschieden herzlicher als der routinierte Klatschmarsch bei der Ankunft.
Ob das reicht, um die behäbigen Genossen für den geforderten "Von Tür zu Tür"-Wahlkampf zu mobilisieren, wird sich bald zeigen.

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