Hillary Clinton, ein Bankraub und die Normalität des Büroalltags

Washington · Das State Department hat 7000 E-Mails aus dem Archiv der früheren US-Außenministerin freigegeben. Sie zeigen vor allem, dass es in der Spitzenetage der Diplomatie auch nicht anders zuging als in jedem normalen Office.

Washington. Es war am Tag vor Silvester, als Hillary Clinton die Bankraubstory aufgriff. "Sollte ich mich geschmeichelt fühlen? Wenigstens ein bisschen? Glaubt ihr, der Kerl hat die Maske absichtlich ausgesucht? Oder hat er einfach nach der nächstbesten gegriffen?"
Dezember 2010. In Sterling, einer Kleinstadt in Virginia, war eine Bankfiliale überfallen worden, von einem Mann, der sein Gesicht hinter einer Hillary-Clinton-Maske verbarg. Zwei enge Berater der Außenministerin, ihre Stabschefin Cheryl Mills und ihr Anwalt David Kendall, tauschten sich in kurzen E-Mails darüber aus, und zumindest verrät der digitale Briefwechsel, dass im State Department ein eher lockerer Ton herrschte, bisweilen angereichert durch sarkastischen Humor. "Sie (Clinton, Anm. d. Red.) hat ein Alibi, nehme ich an?", schrieb Mills an Kendall und fügte einen Agenturbericht über das Verbrechen hinzu. "Man kann nie wissen", antwortete Kendall. Nachdem die Chefin den launigen Tonfall aufgegriffen hatte, legte er nach. Eines könne er schon nach schneller Recherche sagen: In der Geschichte der Banküberfälle hätten die Täter, wenn sie denn Politikermasken trugen, meist solche von Republikanern gewählt. Vorn liege Richard Nixon ("kaum überraschend" angesichts des Watergate-Skandals) mit elf dokumentierten Fällen, gefolgt von George W. Bush und Ronald Reagan. "Es hat den Anschein, als hätten wir für die Demokraten eine Premiere gefeiert."
Diese Woche ist der nächste, der bisher dickste Packen jener 30 000 E-Mails veröffentlicht worden, die Hillary Rodham Clinton alias HRC in ihren vier Jahren als Außenministerin schrieb. Siebentausend ausgedruckte Seiten, die ihren Gegnern im Wahlkampf kaum genug Munition liefern dürften, um aus der Affäre einen echten Skandal zu machen. Ein Richter hatte die Freigabe angeordnet, und schon die Tatsache, dass sich Clinton für dienstliche Post eines privaten Mailkontos bediente, ließ ihre Kritiker auf sensationelle Enthüllungen hoffen. Daran gemessen ist wenig brisant, was man bisher nachlesen kann. Keine Staatsgeheimnisse, eher Banales. Immerhin gewährt die Sammlung einen Einblick in den Alltag eines Schlüsselressorts, in dem es offenbar auch nicht anders zugeht als in einem normalen Büro.
Gute Ratschläge an die Chefin


Die Chefin, oft noch spätabends vorm Computer sitzend, legte Wert darauf, ihre Mitarbeiter jederzeit erreichen zu können. Die Mitarbeiter wiederum gaben gute Ratschläge, etwa dann, wenn sie Studien über die Auswirkungen von Schlafmangel auf das Gewicht von Frauen gelesen hatten - nicht weit hergeholt bei einer Weltreisenden, die ständig durch die Zeitzonen flog und akut mit dem Jetlag zu kämpfen hatte. Manchmal versuchten sie auch nur, mit artigen Komplimenten Punkte zu sammeln.
"Es gibt ein sehr elegantes Bild von dir auf der Titelseite der International Herald Tribune", schwärmte Clintons Planungschefin Anne-Marie Slaughter am 31. Januar 2010. Darauf HRC: "Danke, aber hast du die Fotos gesehen, die zeigen, wie mir der Schuh vom Fuß rutscht, als ich die oberste Stufe des Elysee erreichte, um von Sarkozy begrüßt zu werden?"
Dann wären da noch die alten Freunde, ohne Amt, dafür umso meinungsfreudiger. Allen voran Sidney "Sid" Blumenthal, früher Reporter, ab 1997 Assistent Bill Clintons im Weißen Haus, eine Art Kummerkasten, dem sich der damalige Präsident im Strudel der Monica-Lewinsky-Affäre anvertraute und der auch bei dessen Gattin hohes Ansehen genoss. Es gab Zeiten, da schrieb er ihr praktisch täglich.
Im November 2009 lieferte Blumenthal eine Skizze Guido Westerwelles, des neuen deutschen Außenministers, den die Amerikaner nicht recht einzuordnen wussten. Der spreche fließend englisch, sei überhaupt nicht konservativ und werbe für die Idee einer Welt ohne Atomwaffen. Reibungspunkte mit den USA seien nicht zu erkennen, "er ist von Naturell und Ausbildung her Transatlantiker". Nur eben kein Kumpeltyp, der anderen kräftig auf die Schulter klopfe. Es brauche Zeit, um Vertrauen zu ihm aufzubauen. Hillary solle Westerwelle einfach gut aussehen lassen, der Rest werde sich dann schon finden, riet Blumenthal. Wie er über John Boehner urteilte, den Konservativen, der nach dem Wahlsieg seiner Partei im November 2010 Sprecher des Repräsentantenhauses werden sollte, lässt dagegen fast schon an eine Karikatur denken. Jüngere Republikaner verachteten den Mann, er sei "zwielichtig, ein Alkoholiker, faul und ohne den Glauben an irgendwelche Prinzipien".

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