Höhere Gewalt, unglückliche Ereignisse

TRIER. Das Landgericht zieht einen Schluss-Strich unter die Justiz-Panne um die Freilassung der Trierer Geiselnehmer. Es wird keine Disziplinarmaßnahmen gegen die Richter der 3. Strafkammer geben.

Die Justiz-Panne in Trier sorgte bundesweit für Aufsehen: Fünf Männer aus dem Raum Karlsruhe/Mannheim hatten am 17. Juni 2002 ein Ehepaar in Trier-Süd als Geiseln genommen und zu erpressen versucht. Aufgrund ihres dilettantischen Vorgehens waren die Täter von der Polizei schnell festgenommen worden. Die 3. Strafkammer des Landgerichts Trier versäumte jedoch, innerhalb der Frist von einem halben Jahr nach ihrer Festnahme das Hauptverfahren zu eröffnen. Dem Oberlandesgericht Koblenz blieb da gar nichts anderes übrig, als im Dezember die Haftbefehle aufzuheben und die Freilassung der Geiselnehmer anzuordnen. Möglicherweise nur, weil sie keine schwerkriminelle Karriere hinter sich hatten, tauchten die Männer nicht unter, sondern in dieser Woche zu ihrem Gerichtsverfahren in Trier ganz brav und reumütig auf. Von der mittlerweile zuständigen 2. Strafkammer wurden sie zu Freiheitsstrafen verurteilt. Reibungsverluste und Urlaub

Das Landgericht gab zunächst eine Überbelastung der Richter als Begründung für die peinliche Freilassung der Verbrecher an. Zur genauen Klärung der Ursache leitete Landgerichtspräsident Wolfgang Krämer allerdings auch ein Disziplinarverfahren gegen einen Richter und eine Richterin der 3. Strafkammer ein, die nun eingestellt wurden. "Die eingetretenen Verzögerungen in der Bearbeitung des Strafverfahrens sind Folge einer Reihe von unglücklichen Ereignissen", heißt es in der gestern verschickten Pressemitteilung des Landgerichts. Aufgezählt werden als "unglückliche Ereignisse" dann: Reibungsverluste durch mehrere gleichzeitig zu bearbeitende Ereignisse, häufige Sitzungen, urlaubsbedingte Abwesenheit der Richter, umfangreiches und unübersichtliches Aktenmaterial. Diese Ereignisse hätten den Verfahrensgang "negativ beeinflusst". Grund für die unvorhergesehene Freilassung war also eine Art "höherer Gewalt", wie auch Gerichtssprecher Armin Hardt bestätigt. "Im Disziplinarverfahren sind aber auch Pflichtgefühl, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Arbeitsleistung der Richter im Übrigen zu würdigen", heißt es vom Landgericht weiter. Die betroffenen Richter seien "äußerst zuverlässige, fleißige und hochmotivierte Kollegen", die gerade im Jahr 2002 "erfolgreich ein enormes Arbeitspensum bewältigt haben". Disziplinarmaßnahmen seien deshalb "nach eingehender Würdigung aller zu beachtenden Kriterien nicht angezeigt". Davon unabhängig seien die Verzögerungen insbesondere wegen der eingetretenen Folgen "sehr zu bedauern und nicht zu entschuldigen". Konsequenz: Der Präsident prüft persönlich

Um die Wiederholung einer ähnlich Justizpanne zu verhindern, seien "organisatorische Maßnahmen" ergriffen worden. Dazu zählt unter anderem, dass die Geschäftsstellen der Strafkammern dem Landgerichtspräsidenten monatlich eine Liste der Haftsachen sowie jede obergerichtliche Haftprüfungsentscheidung vorlegen müssen. Die Panne ist passiert, persönliche Konsequenzen hat das für niemanden - Gerichtssprecher Armin Hardt erklärt das vor allem mit dem "hohen Gut der richterlichen Unabhängigkeit". Der Dienstherr - hier der Landgerichtspräsident - könne nur sehr begrenzt Einfluss auf die Richter nehmen. Und Disziplinarmaßnahmen gebe es nur, wenn einem der Richter ganz konkret ein "schuldhaftes Verhalten" nachzuweisen wäre - daran aber fehle es hier. Das rheinland-pfälzische Justizministerium wollte die Einstellung des Disziplinar-Verfahrens nicht kommentieren. Ministeriums-Sprecher Volker Wissing wies aber noch einmal darauf hin, dass eine zu hohe Arbeitsbelastung der Trierer Richter nicht als Begründung für die Panne ins Feld geführt werden könne. "Selbst eine punktuell hohe Zahl von Haftsachen kann nicht dazu führen, dass Haftbefehle aufgehoben werden", sagte Wissing. Sei die Belastung eines Gerichtes wirklich zu hoch, könne im Extremfall die Einrichtung von Hilfsstrafkammern beantragt werden. Das sei in Trier aber nicht der Fall gewesen. KOMMENTAR SEITE 2

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