Hoffen auf Harmonie

Karin Augustin ist neue Präsidentin des Landessportbundes (LSB). Die 51-jährige Diplom-Sportlehrerin aus Mainz wurde bei nur zwei Gegenstimmen von rund 350 Delegierten gewählt. Sie soll dem Dachverband des Sports nach jahrelangen Führungsquerelen wieder ruhigere Zeiten bescheren.

Bingen. Der Landessportbund brauche mehr Harmonie, und Harmonie erfordere Ehrlichkeit und fairen Umgang, mahnte Fred Pretz, Präsident des Sportbundes Rheinland, als Sprecher des LSB-Präsidiums die mehr als 350 Delegierten der Mitgliederversammlung. Doch die Worte dürften wohl mehr an die Führungsriege, denn an das am Samstag in Bingen zusammengekommene LSB-Plenum gerichtet gewesen sein. So etwas wie bei der Versammlung im September 2006, als nach heftigsten Streitereien der im April 2007 verstorbene Hermann Höfer zum Präsidenten des Dachverbands gewählt und die Satzung teilweise neue Machtverhältnisse schuf, müsse man sich "nicht mehr antun", wie Pretz vielsagend formulierte. Seit vielen Jahren bestimmen Führungsquerelen die Außendarstellung des LSB: Der als "Erneuerer" ins Präsidentenamt gewählte Rüdiger Sterzenbach ging 2004 in großem Ärger, sein Nachfolger Egon Heberger wurde zum Rücktritt gezwungen, der dann gewählte "starke Mann" Hermann Höfer starb nach kurzer Zeit, ohne das Amt tatsächlich angetreten zu haben. Und auch die anschließende Interims-Lösung mit dem Pfälzer Sportbund-Präsidenten Dieter Noppenberger ging in Vorwürfen der "Vetternwirtschaft" und gegenseitigen Anfeindungen im Präsidium unter.Zudem sorgte im vergangenen Jahr die Untreue-Affäre bei der Sportjugend für Schlagzeilen, weil über mehrere Jahre eine Mitarbeiterin fast eine Million Euro zur Seite schaffte, ohne dass es Geschäftsführung oder Kassenprüfern auffiel. Aktuell hat der Sport zudem mit sinkenden Zuweisungen aus Sportwetten und Glücksspirale zu kämpfen. Ein Neuanfang der Solidarität, mit weniger Misstrauen, aber dafür mit Absprachen, die auch eingehalten werden, forderte Pretz - und war dann ausdrücklich dankbar, dass keine Nachfragen von den Delegierten gestellt wurden. Wie erwartet, trat Karin Augustin als einzige Kandidatin zur Nachfolge-Wahl des vor mehr als einem Jahr verstorbenen Hermann Höfer an. Die sieben Vizepräsidenten sind noch bis 2010 gewählt. Sie sei im Rheinland geboren, wohne seit Jahrzehnten in Rheinhessen und sei seit langem mit einem Pfälzer verheiratet, ließ Augustin humorvoll über ihre Chance verlauten, alle drei Sportbünde als neue LSB-Präsidentin unter einen Hut zu bekommen. Sie machte gleichzeitig klar, dass für sie die jahrelangen Diskussionen um Zukunft und Aufgaben der regionalen Sportbünde vorbei sei. Während die Sportbünde aus ihrer Sicht als Dienstleister für die Vereine vor Ort zuständig sind, kommt dem LSB als Dachorganisation die Verbindung zu Landesregierung und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu. Inhaltliche Schwerpunkte sollen Organisation, Schulsport, Sportjugend und Leistungssport sein. Die 356 Delegierten waren mit überwältigender Mehrheit zufrieden und votierten in offener Abstimmung bei nur zwei Gegenstimmen für die Frau mit den guten Kontakten zur Politik: Wirtschaftsminister Hendrik Hering ist ihr Bruder, mit Innen-Staatssekretär Roger Lewentz ist Karin Augustin verschwägert. Meinung Frauenpower gefragt Auf ein Neues, heißt es beim Landessportbund. Die Funktionärs-Führungsriege des rheinland-pfälzischen Sports ist in den letzten Jahren mehr durch Fouls am eigenen Mann aufgefallen, als im Kampf für das sportliche Engagement. Nach dem Skandal um den Sport-"Selbstbedienungsladen" Toto-Lotto in den 90er-Jahren, seine Pöstchen und engen Verflechtungen wurden in steter Regelmäßigkeit Schlagzeilen produziert. Dabei ging es um Einfluss, Machtverteilung zwischen Landessportbund und regionalen Sportbünden, reichlich persönlichen Animositäten, Mitsprache von Fachverbänden und vieles andere mehr. Meist überwog der Eindruck, dass es um alles Mögliche ging, nur nicht um den Sport. So gesehen ist Karin Augustin nicht zu beneiden. Hinter ihr stehen durch eine 2006 verkorkste Satzungsänderung gleich sieben - meist eigenwillige - Vizepräsidenten im Präsidium. Als kollegiales Führungsorgan ist diese Truppe bislang nicht in Erscheinung getreten. Dazu kommt eine nicht gerade in Harmonie gestimmte hauptamtliche Verwaltung. Es ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um den arg ramponierten Ruf des LSB wieder halbwegs aufzupolieren. Die neue Steuerfrau ist kein Garant für den Erfolg. Aber einen erneuten Schiffbruch kann sich der LSB als Mannschaft nicht mehr leisten, will er nicht den verbliebenen Rest an Unterstützung verspielen. j.winkler@volksfreund.de

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