Hoffnung auf Hilfe

KOBLENZ/MAINZ. (win/dpa) Eltern von Schülern über schulische Misserfolge zu informieren, kann das Risiko von Kurzschlusshandlungen mindern: Zu dieser Einschätzung kommt der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz auch bei volljährigen Schülern.

Schulen dürfen in Rheinland-Pfalz die Eltern volljähriger Schüler bis zum 21. Lebensjahr auch gegen deren Willen über wichtige schulische Probleme informieren. Diese Regelung im Schulgesetz ist laut VGH verfassungsgemäß. Junge Volljährige befinden sich nach Auffassung des Gerichts in einem schwierigen Abschnitt ihrer Persönlichkeitsentwicklung, der meist nicht mit dem 18. Geburtstag ende. In dieser Phase könnten Misserfolgserlebnisse in der Schule zu Kurzschlusshandlungen führen, bis hin zu einem Amoklauf wie in Erfurt, argumentieren die Richter. Die Unterrichtung der Eltern auch volljähriger Schüler sei geeignet, solche Risiken zu verringern, heißt es im Urteil. Zwar hätten die Eltern dann keine rechtlichen Möglichkeiten mehr, Einfluss zu nehmen. Der Staat dürfe aber auf die familiäre Beziehung bauen und damit die Erwartung verbinden, dass den Schülern geholfen werde. Die gesetzlichen Regelungen sind daher laut VGH geeignet, zumindest die Risiken von Kurzschlusshandlungen zu verringern. Die Persönlichkeitsrechte der jungen Erwachsenen sehen die Richter gleichwohl gewahrt. Gegen die Regelung hatte die 18-jährige Schülerin Stephanie Mayfield aus Speyer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie fühlt sich in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt."Keine Volljährigkeit erster und zweiter Klasse"

Der VGH betont dagegen, bei der Neuregelung handele es sich um Soll- und Kann-Bestimmungen. Er schränkt ein, dass in bestimmten Fällen die Information der Eltern auch "ein untaugliches Mittel" sein könne, etwa wenn sie nicht bereit oder fähig seien, ihr Kind zu unterstützen. Die Schulen sollten von ihrem Ermessen "sorgfältig unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles" Gebrauch machen, forderte der VGH. Beschwerdeführerin Mayfield zeigte sich über das Urteil enttäuscht. Es sei allerdings klar geworden, dass es auch Fälle gebe, in denen es nicht sinnvoll für Schulen sei, die Eltern zu unterrichten. Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) begrüßte das Urteil. Es gehe darum, Eltern die Möglichkeit zu geben, ihren Kindern in schwierigen Situationen zu helfen. Die Gewerkschaft GEW, die Mayfield unterstützt hatte, bedauerte das Urteil: Volljährige Schüler seien genauso zu behandeln wie alle anderen Erwachsenen, sagte der Landesvorsitzende Tilman Boehlkau. Es gebe keine Volljährigkeit erster und zweiter Klasse. Während der Verband Bildung und Erziehung das Urteil als Stärkung der Zusammenarbeit von Eltern und Schule begrüßte, monierte die Landesschülervertretung die Einschränkung der Selbstbestimmungsrechte. Die Schulgesetzänderung sei blanker Aktionismus gewesen.

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