Hotel bei Trier wird zum Politikum in Russland

Trier/Bekond · Ein in der Nähe von Trier gelegenes Hotel ist Gegenstand einer heftigen politischen Auseinandersetzung im fernen Moskau. Gegner der Kremlpartei Geeintes Russland haben für Anfang November sogar zu einer Demonstration nach Bekond eingeladen. "Wir haben mit Politik nichts zu tun", sagen die Hoteliers.

 Kaum zu glauben, aber wahr: Das in Bekond unweit von Trier gelegene Hotel Brunnenhof ist Thema in der russischen Innenpolitik.

Kaum zu glauben, aber wahr: Das in Bekond unweit von Trier gelegene Hotel Brunnenhof ist Thema in der russischen Innenpolitik.

Foto: H. Waschbüsch

"Verbringen Sie Ihren Urlaub in St. Thomas am Brunnenhof!" So werben die Eigentümer des gleichnamigen Bekonder Hotels im Internet um Kundschaft. Alle 22 Zimmer seien frisch renoviert, heißt es, das Hotel in dem gemütlichen Weinort biete Komfort, Ruhe und "ab September auch den lang erwarteten Fahrstuhl".Kaum vorstellbar, dass das mitten in der 850-Seelen-Gemeinde gelegene Hotel derzeit im 2150 Kilometer-Luftlinie entfernten Moskau für reichlich Wirbel sorgt. Der Grund: Das Bekonder Hotel soll der Ehefrau eines Duma-Abgeordneten der Putin-Partei Geeintes Russland gehören. Nach einem Bericht der Internet-Zeitung Russland aktuell ist es Parlamentsabgeordneten strikt verboten, die Geschicke von Unternehmen zu bestimmen. Auch ausländischer Immobilienbesitz zählt angeblich dazu, zumal der Kreml gegenwärtig Regeln vorantreibe, "die es russischen Staatsdienern in Zukunft verbieten könnten, jenseits der Grenzen Eigentum zu unterhalten", heißt es in dem Bericht.
Orthodoxe Kirchengemeinde
Vermutlich hätte man im Kreis Trier-Saarburg von dieser Vorschrift im fernen Russland nie etwas mitbekommen, wäre dem Oppositionsabgeordneten Gennadi Gudkow nicht unlängst genau aus diesem Grund das Mandat entzogen worden.
Gudkow wurde zum Verhängnis, dass seine Familie an diversen Wach- und Schließgesellschaften beteiligt sein soll und er zudem in Bulgarien mit Immobilien gehandelt habe. Gudkow spricht dagegen von einer Kampagne, die das Ziel habe, ihn als engagierten Kämpfer gegen Wahlfälschungen in Russland mundtot zu machen. Der geschasste Duma-Abgeordnete will den Rauswurf nicht klaglos hinnehmen; er hat bereits angekündigt, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Das kann dauern. Und so schaut sich Gudkows Sohn Dmitri in der Zwischenzeit offenbar an, wie es denn so um den Immobilien- und Firmenbesitz der regierungstreuen Duma-Abgeordneten bestellt ist. Offenkundig wurde er bereits mehrfach fündig - etwa bei dem Parlamentarier Andrej Issajew, dessen Ehefrau ein Hotel im deutschen Trier besitze, wie es in der Internet-Zeitung Russland aktuell heißt. Andrej Issajew wird mit den Worten zitiert, dort befänden sich ein Pilgerzentrum und eine Kirche: "Wir halten es für wichtig, Kenntnisse über die russische Orthodoxie im Westen zu verbreiten."Und was ist denn nun Fakt? Unter der Adresse des Hotels St. Thomas am Brunnenhof in Bekond ist auch eine orthodoxe Kirchengemeinde eingetragen: die heiligen vierzig Märtyrer von Sebastia. Und auch die Pilgerorganisation Thomas hat dort ihren Sitz. Nach Angaben auf ihrer Internetseite organisiert "St. Thomas-TDF" für Russen und Ukrainer Reisen zu alten Heiligtümern der christlichen Kirche.
Laut Geschäftsführer Michael Doskovski gehört das Bekonder Hotel dem Pilgerdienst und zu 50 Prozent der Ehefrau des russischen Duma-Abgeordneten Issajew. "Aber mit der gegenwärtigen Auseinandersetzung in Russland haben wir nichts zu tun", sagt Doskovski und fügt hinzu: "Wir kümmern uns nicht um Politik." Das Hotel sei "ein ganz normales Hotel"; und zugleich sei in dem Gebäude auch ein orthodoxes Pilgerzentrum untergebracht - "das einzige in Europa", fügt er am Telefon hinzu. Für die in Russland geführte Debatte und die Berichte darüber hat er nur einen Kommentar übrig: "Fast alles ist gelogen."
Wahr ist allerdings, dass die Diskussion an Heftigkeit zunimmt. Michael Doskovski berichtet, dass sie telefonisch und in E-Mail-Zuschriften beschimpft würden. Und im Internet ruft eine nach der jüngst verurteilten russischen Mädchen-Band Pussy Riot benannte Gruppierung dazu auf: "Stoppt Putins Mafia in Trier!" Für einen Samstagnachmittag Anfang November haben die Putin-Gegner bereits zu einer Protestaktion vor das Hotel aufgerufen. 38 Zusagen gibt es schon, ist auf der Seite zu lesen. Ob die allerdings alle am richtigen Ort auftauchen, ist eher fraglich. Denn in einem der Aufrufe ist nicht vom Hotel Brunnenhof in Bekond die Rede, sondern vom namensgleichen Restaurant in Trier. Da ist wohl im Eifer des Gefechts ein bisschen was durcheinandergeraten. Extra

 Zwischen dem idyllisch gelegenen Bekond und Russlands Hauptstadt Moskau liegen über 2000 Kilometer Luftlinie. Und ein paar Einwohner mehr hat Moskau auch.

Zwischen dem idyllisch gelegenen Bekond und Russlands Hauptstadt Moskau liegen über 2000 Kilometer Luftlinie. Und ein paar Einwohner mehr hat Moskau auch.

Foto: TV-Archiv/Gerhard Steinle

Der Staatsduma (Parlament) kommt in der Russischen Föderation eine eher untergeordnete Rolle zu.Die Verfassung von 1993, mit der das Zwei-Kammern-Parlament eingeführt wurde, gab dem Präsidenten eine Vormachtstellung. Die 450 Abgeordneten haben kaum Einfluss auf die Regierungsbildung. Der Staatschef braucht lediglich ihre Zustimmung für die Ernennung des Ministerpräsidenten. Die übrige Regierungsmannschaft bestimmt er selbst. Lehnt die Duma drei Mal einen Kandidaten des Kreml für den Kabinettsvorsitz ab, wird sie aufgelöst. dpa

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