"Ich bin ja nicht Gottschalk"

TRIER. 50 Jahre alt wird an diesem Samstag das "Wort zum Sonntag". Große Ehre für den Ort Gusterath bei Trier: In der evangelischen Kirche wurde am Freitag der Jubiläums-Beitrag aufgezeichnet. Gesprochen hat das "Wort zum Sonntag" Stephan Wahl, Medienpfarrer des Bistums Trier. Im TV -Interview berichtet er über seine Erfahrungen mit dem "Wort zum Sonntag", der zweitältesten deutschen Fernseh-Sendung nach der Tagesschau.

Um Einschaltquoten müssen Sie sich ja keine Gedanken machen. Trotzdem: Formulieren Sie doch mal fernsehgerecht einen schönen "Teaser", einen Werbespruch für das "Wort zum Sonntag".Wahl: Puh… (überlegt) Ohh… (überlegt). Wort zum Sonntag ist… Ein Teaser! Das ist ja das Allerschwierigste, was man machen kann im Fernsehen! Es gibt ja die Negativ-Sprüche wie "Wort zum Sonntag, Fünf-Minuten-Terrine der Verkündigung", die kenn ich alle. Aber das Positive? Also gut: "Wort zum Sonntag - die positivste Programmunterbrechung im deutschen Fernsehen." Oder noch besser: "Die sinnvollste Programmunterbrechung." Diese sinnvolle Programmunterbrechung hat jede Woche zwei Millionen Zuschauer. Rein zahlenmäßig sind die "Worte zum Sonntag" damit wohl der wichtigste Draht der Kirche zum Volk geworden, oder? Wahl: Also da würde ich das "Wort zum Sonntag" vielleicht für ein bißchen überschätzt halten. Es ist eine große Chance beider Kirchen, Menschen an den Hecken und Zäunen zu erreichen. Weil wir am Samstagabend Leute ansprechen, die normalerweise den Samstag mit irgendwelchen anderen Fernsehprogrammen gestalten. Wir locken ja nicht die Leute vor den Fernseher, sondern sprechen die an, die schon eingeschaltet haben. Deshalb ist das nicht das, was wir in der Dichte am Sonntag im Gottesdienst erfassen. Sie sagen, man sollte das Wort zum Sonntag nicht überschätzen. Aber wenn es um gute oder schlechte Vorbilder geht, dann wird dem Fernsehen ja immer eine enorme Macht zugesprochen. Glauben Sie, man kann per Fernsehen auch Menschen bekehren? Wahl: Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade. Wenn ein Wort zum Sonntag einen Gedanken enthält, der einen Menschen dazu verleitet, sich über sein Leben Gedanken zu machen, und möglicherweise sein Leben irgendwie auch zu ändern, dann bin ich Gott dankbar dafür. Vier Minuten Text vor so einer Menge Menschen: Haben Sie damit nicht mehr "Macht" als mancher Dorfpriester oder gar als mancher Bischof? Wahl: Ich würde da die Dorfpfarrer nicht unterschätzen. Macht ist für mich das falsche Wort. Ich würde es eher umgekehrt formulieren. Für mich ist es eine große Verantwortung, diese dreieinhalb bis vier Minuten zu gestalten, weil diese Wörter bei den Menschen sehr viel auslösen können. Wenn ich die Sendezeit für meine eigenen Ideen instrumentalisieren würde, würde ich das Wort zum Sonntag missbrauchen. Es geht immer um die Verkündigung des Evangeliums, genau so, wie es ein Pfarrer in seiner Gemeinde macht. Wie fallen die Reaktionen nach einer Sendung aus? Wahl: Ganz unterschiedlich. Den einen trifft's, den anderen nicht. Der eine reagiert, der andere nicht. Der eine positiv, der andere negativ. Wenn man pointiert eine Aussage macht - gerade im Glauben - wird man immer merken, dass sich die einen angesprochen fühlen, die anderen nicht. Es gibt manchmal heftige Reaktionen, aber auch viel Zustimmung. Wie kann man sich das zahlmäßig vorstellen: Sind das hunderte oder tausende? Wahl: Nein, überhaupt nicht. Dadurch, dass die Menschen sich die Texte über unseren Manuskript-Dienst im Internet besorgen können, hat sich das völlig verändert. Es gibt weniger direkte Reaktionen. Das sind keine riesigen Zahlen. Ich bin nicht Gottschalk. Dennoch sind Sie als Fernsehpfarrer doch so etwas wie eine Berühmtheit. Sind Sie schon auf der Straße angesprochen worden? Wahl: Ich kann noch wunderbar anonym Eis essen gehen. Eine wirkliche Berühmtheit, der Fernsehpfarrer Jürgen Fliege, durfte ja kürzlich auch beim "Wort zum Sonntag" ran. Man hört, Sie wären nicht so recht begeistert über diese prominente Verstärkung gewesen... Wahl: Es ist nicht meine Aufgabe, den ARD-Talkmaster Pfarrer Jürgen Fliege zu kommentieren. Dazu möchte ich mich nicht äußern. Ich glaube, das Thema Jürgen Fliege hat sich im "Wort zum Sonntag" erledigt. An diesem Sonntag wird das Wort 50 Jahre alt und Sie dürfen sprechen. Womit haben Sie sich diese besondere Ehre verdient? Wahl: Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nicht, warum ich bestimmt worden bin, aber es ist halt so passiert. Die beiden Beauftragten der Kirchen machen den Sendeplan. Der normale Rhythmus ist diesmal unterbrochen worden, und man hat sich darauf geeinigt, dass ich sprechen soll. Für das Jubiläum an diesem Sonntag haben Sie angekündigt, es werde um das "Wort an sich" gehen. Verraten Sie uns doch exklusiv für die TV-Leser mal die ersten Sätze. Wahl: Einen schönen guten Abend. Und weiter? Wahl: Fünfzig Jahre Wort zum Sonntag. Gerne mal verulkt, bisweilen auch totgesagt, ist es immer noch da und: quicklebendig. Das Gespräch führte unser Redakteur Michael Schmitz.

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