"Ich habe sie schon als Kind gekannt"

FÖHREN. Der gewaltsame Tod einer jungen Mitbürgerin im fernen Ecuador hat in der Eifelgemeinde Föhren Bestürzung ausgelöst. Da und dort klingt auch Nachdenklichkeit über die Gefahren in exotischen Ländern durch. Eine Freundin des 24-jährigen Opfers kann sich dieser Meinung allerdings nicht anschließen.

Fast alle Befragten im Föhrener Ortskern haben die junge Frau gekannt. Einige Jüngere erinnern sich an sie als Mitschülerin in der Grundschule, und bei älteren Föhrenern fällt meist der Satz: "Ich habe sie noch als Kind gekannt." Doch generationsübergreifend wird eine besondere Art von Betroffenheit spürbar, die sich aus der Nähe zum Opfer erklärt. Eine Geschäftsfrau aus der Hauptstraße bringt das auf den Punkt, als sie sagt: "Es macht schon einen großen Unterschied, ob in der Zeitung etwas über einen Mord an einem Hamburger steht, oder ob es sich um einen Menschen aus der Nachbarschaft handelt, den man schon als Kind gekannt hat." Das sei ein sehr nettes Mädchen gewesen - vor dem Studium in Heidelberg auch im Tennisverein und bei der Föhrener Showtanz-Gruppe aktiv. Bedenken der älteren Generation

Ein Bewohner aus der Nachbarschaft schippt vor seinem Anwesen Schnee. Auch er hat das Mordopfer schon gekannt, als es noch ein Kind war. "Ich habe von dem Verbrechen erst heute früh erfahren. Schrecklich", sagt er und lässt gleich einen längeren Exkurs über die Gefahren in bestimmten lateinamerikanischen Ländern folgen. "Chile oder Argentinien, dort soll es ja gehen, da kann man wohl noch hinfahren. Doch Mittelamerika? Aber die jungen Leute lassen sich halt nicht davon abbringen", fügt er hinzu. Ein anderer Anwohner hat den noch unbekannten Täter im Blick. Und er macht keinen Hehl aus seinem mittelalterlichen Rechtsgefühl. "Die Hände halb unters Schafott, Finger durch, dann wieder laufen lassen", sagt er. Das Föhrener Dorfzentrum am Mittwochmorgen: Äußerlich geht dort alles seinen gewohnten Gang, in den Geschäften, auf der Straße. Man kennt sich, und man grüßt sich. Die enge Hauptstraße leidet unter dem Schwerlastverkehr, seit es die Autobahnmaut für LKW gibt. Ein riesiges Ärgernis in Föhren - aber an diesem Tag belanglos.Interesse an Sprachen und fremden Ländern

Eine der beiden anderen jungen Frauen, die mit dem späteren Tatopfer die Reise nach Mittelamerika angetreten hatten, ist zu einem Gespräch mit dem TV bereit. Wie alle anderen Befragten will sie ungenannt bleiben und bittet - sichtlich mitgenommen - um Rücksichtnahme auf die Familie ihrer ermordeten Freundin. Die Dritte aus der kleinen Reisegruppe stammt von der Mittelmosel. Sie will sich gegenüber der Presse nicht äußern. "Wir kennen uns schon von Jugend an, reisen gerne, interessieren uns für Sprachen und fremde Länder", sagt die 24-jährige Föhrenerin, die, wie geplant, schon früher heimgekehrt war. Nach Übersee aufgebrochen waren sie Ende September. Nach der ersten Station in Guatemala folgten Aufenthalte in Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Schließlich reisten die anderen beiden nach Quita in Ecuador, wo sie nach einem einwöchigen Sprachkurs ein Praktikum bei einem Sozialdienst antraten, der sich um Straßenkinder kümmert. Etwa fünf Wochen waren in Ecuador geplant. Danach wollte die nun zum Tatopfer gewordene Studentin allein einen weiteren Staat besuchen und Ende Februar nach Deutschland zurückkehren. War es für drei junge Frauen leichtsinnig, allein nach Mittelamerika zu reisen? "Nein", sagt die 24-Jährige "dort mögen zwar andere Verhältnisse herrschen, doch die Menschen sind nicht bösartiger." Ihre Freundin sei nicht leichtsinnig gewesen, und das Haus im Quitoer Touristenviertel habe als sicheres Familienhotel gegolten. So etwas passiere nicht jeden Tag in Quito - aber so etwas geschehe auch bei uns.

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