"Ich hoffe, ihr verzeiht mir"

Ein 61-Jähriger, der im Juli einen 21-Jährigen in Bernkastel-Kues niedergestochen hat, ist voll schuldfähig. Der Prozess gegen den Kosovaren wurde gestern vor dem Landgericht fortgesetzt.

Trier. Er kann seine Tränen nicht mehr zurückhalten, als die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz zwei Briefe seiner Tochter verliest. "Hätte ich gewusst, dass es so weit kommt, hätte ich es nicht gemacht", schreibt die 17-Jährige ihrem Vater, den sie seit Juli vorigen Jahres nicht mehr gesehen hat. Der 62-jährige Mann, der aus dem Kosovo stammt und seit 40 Jahren in Deutschland lebt, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er hat, wie er gestand, den Freund seiner Tochter vor der Polizeiwache in Bernkastel-Kues niedergestochen. Es sei "reines Glück" gewesen, dass der damals 21-Jährige nicht gestorben sei, sagt die Mainzer Rechtsmedizinerin Bianca Navarro. Mit "erheblicher Wucht" sei in den Bauch des jungen Mannes gestochen worden, trägt die Gutachterin vor Gericht vor. Bevor es zu der Bluttat kam, hatten die Eltern ihre Tochter vermisst gemeldet. Sie war mit ihrem vier Jahre älteren Freund, ebenfalls ein Kosovare, den sie im Internet kennengelernt hatte, von ihrem Zuhause im schwäbischen Albstadt nach Bernkastel-Kues gefahren - ohne Wissen der Eltern. Die Familie fand heraus, wo sich die 17-Jährige, die der Vater als seine Prinzessin bezeichnet, aufhielt, und wollte sie wieder nach Hause mitnehmen. "Ich hoffe, ihr verzeiht mir, was ich getan habe", schreibt sie ihrem Vater. Auch die Mutter und die anderen Verwandten im Zuschauerraum des Gerichtssaales weinen, während die Briefe vorgelesen werden.

Die Schriftstücke sind vom Gericht abgefangen worden und zu den Prozessakten gekommen. Der psychologische Gutachter Ingo Baltes bescheinigt dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit. Er habe nicht im Affekt zugestochen. Noch immer findet der Prozess unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt, aus Angst vor Auseinandersetzungen der beiden Familien. Das Urteil soll am Freitag kommender Woche gefällt werden.

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