"Ich kann mir ja auch keine gestohlene Uhr kaufen" - Trierer Steuerbetrüger will weiter kämpfen

Trier/Koblenz · Der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof hat nicht nur die Klage des Trierer Geschäftsmannes Lutz Scheider wegen Verwendung einer Steuer-CD abgewiesen. Die neun Richter haben dem Land auch klare Grenzen aufgezeigt.

 Lutz Scheider nach der Urteilsverkündung

Lutz Scheider nach der Urteilsverkündung

Foto: Bernd Wientjes

Die Stimmung ist entspannt an diesem sonnigen Montagmorgen kurz vor zehn Uhr im Koblenzer Justizzentrum. Der Trierer Anwalt Gilbert Haufs-Brusberg scherzt mit dem Vertreter des Justizministeriums, der hier das Land vertritt, gegen das der Anwalt geklagt hat. Dass der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof möglicherweise ein paar Minuten später ein Urteil fällen könnte, das Auswirkungen auf die gesamte Steuerfahndung in Deutschland haben dürfte, ist zunächst nicht zu spüren.

Der Trierer Geschäftsmann Lutz Scheider, der mit seiner Klage das Verfahren ins Rollen gebracht hat, gibt sich zuversichtlich, dass er vom höchsten rheinland-pfälzischen Gericht Recht bekommt. Dass nämlich die Durchsuchung seiner Wohnung vor einem Jahr nicht rechtmäßig gewesen ist.

Scheider ist einer der Steuersünder, deren Namen auf einer CD stehen, die das Land vor zwei Jahren für über vier Millionen Euro von einem Informanten gekauft hat. Dass er Steuern hinterzogen hat, streitet der Trierer auch gar nicht ab. Er habe einen Fehler gemacht. Aber: "Hier geht es nicht ums Steuerzahlen, hier geht es um unseren Rechtsstaat", sagt Scheider vor der Urteilsverkündung. Er sieht in der CD Hehlerware. Sie enthalte gestohlene Daten. Daher hätte das Land sie nicht kaufen dürfen.

"Ich kann mir ja auch keine gestohlene Uhr kaufen, nur weil sie mir gerade angeboten wird", argumentiert Scheider. Das Land wisse, dass es die Daten zu Unrecht erworben habe, sagt auch sein Anwalt.
Siegfried Jutzi, Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Justizministerium, sieht das Land im Recht. Auch wenn die Beweise möglicherweise rechtswidrig erlangt worden seien, so dienten sie doch dazu, Straftaten aufzudecken. Außerdem habe ja nicht der Staat die Daten geklaut.

Das bestätigt Verfassunsgerichtshofspräsident Lars Brocker kurze Zeit später bei der Urteilsbegründung: Der Anbieter der Steuerdaten-CD habe aus eigenem Antrieb gehandelt und sei von sich aus an die deutschen Behörden herangetreten.

Das Finanzministerium habe darauf lediglich reagiert, es habe aber niemanden angestiftet, die Daten zu besorgen oder eben zu stehlen. Denn dass die auf der CD enthaltenen Daten rechtswidrig erlangt worden sind, daran hat das Gericht keinen Zweifel. Trotzdem heißt es in dem 32-seitigen Urteil: "Die Verwertung der angekauften Daten ist hier auch zur Abklärung einer Steuerstraftat erforderlich und angemessen."
Das Gericht stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat 2010 betont, es komme nicht darauf an, ob der Kauf einer Steuer-CD ursprünglich rechtmäßig gewesen sei. Die neun obersten rheinland-pfälzischen Richter sehen in einem auf den Daten fußenden Durchsuchungsbeschluss eine legitime "generalpräventive Abschreckung". Aber sie sehen auch Klärungsbedarf. Es bestehe zumindest eine unklare Rechtslage, was den Kauf der Steuer-CD angehe. Diese Art der "Gewinnung von Beweismitteln" weiche deutlich von der Norm ab, urteilt das Gericht. Der Gesetzgeber müsse daher aktiv werden.

Auch wenn die Richter die Klage des Trierers abweisen, einen Freibrief für die Verwendung der Daten stellen sie dem Land damit nicht aus. Nicht jede Verwertung ausländischer Bankdaten, die zuvor gestohlen wurden, stehe ohne Weiteres mit der Verfassung in Einklang. Es gebe keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis. Daher müssten die Gerichte künftig genau prüfen, wie der Staat an die Daten gekommen ist.
Und genau das sieht Anwalt Haufs-Brusberg als Erfolg seiner Klage an. Künftig dürfe der Staat eben nicht mehr so einfach aufgrund von CD-Daten Wohnungen durchsuchen.

"Ein sensationelles Ergebnis", meint der Trierer Rechtsanwalt. Auch wenn es seinem Mandanten nichts bringt. Der hat verloren - und will trotzdem weiter kämpfen. Und zwar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist für Scheiders Fall nicht zuständig. Er hat wegen Verstoßes gegen die Landesverfassung und nicht gegen das Grundgesetz geklagt.
Und das Land? Es jubelt: "Das Verfassungsgericht gibt der Steuerfahndung Sicherheit. Für die Steuerhinterzieher gilt: Es gibt keine Sicherheit vor der Steuerfahndung", freut sich der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) nach der Urteilsverkündung.Extra

Der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsklage des Trierer Geschäftsmannes Lutz Scheider gegen die Verwendung der Daten auf einer Steuer-CD abgewiesen. Zusammengefasst hier die Urteilsbegründung: Der Kläger wird durch die angegriffenen Beschlüsse nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seinem Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Bei den Daten handelt es sich nicht um "Informationen höchstpersönlichen Inhalts", und sie und betreffen auch nicht den engen persönlichen Lebensbereich, sondern es geht dabei um geschäftliche Kontakte zu einer Bank. Für die Beurteilung eines fairen Verfahrens sind nicht nur die Rechte des Beschuldigten, sondern auch die Erfordernisse "einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege" zu beachten. Es gibt auch im Strafverfahren keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis. Aus der Klageabweisung folgt nicht, dass künftig jegliche Verwertung von ausländischen Bankdaten, die durch ein rechtswidriges oder strafbewehrtes Verhalten eines privaten Dritten erlangt wurden, ohne Weiteres mit der Verfassung in Einklang steht. Der Staat darf aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage grundsätzlich keinen Nutzen ziehen. Beim Ankauf von sogenannten Steuerdaten-CD gibt es zumindest eine unklare Rechtslage. Diese Art der Gewinnung von Beweismitteln weicht deutlich vom Normalfall ab. Die Gerichte müssen daher künftig prüfen, wie die staatliche Beteiligung an dem Daten-Klau sei.

Hintergrund: Trierer Geschäftsmann scheitert mit Klage gegen Rheinland-Pfalz 

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