"Ich will die Vignette nicht"

MAINZ. Eine PKW-Maut ist für den Mainzer Verkehrsminister Hans-Artur Bauckhage derzeit kein ernsthaftes Thema. Die gestiegenen Benzinpreise machten weitere Belastungen der Autofahrer unmöglich, so der FDP-Politiker im TV-Interview.

Bauckhage sprach mit dem TV vor der heute beginnenden Verkehrsministerkonferenz in Rostock. Die Runde berät auch über das Thema Autobahn-Vignette. Vor allem Baden-Württemberg macht sich für eine PKW-Maut stark. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat sich für einen Verkauf des Autobahnnetzes ausgesprochen. Die Verkehrsminister suchen nach Geld für den Straßenbau. Werden sie bei der PKW-Maut fündig?Bauckhage: Die Frage nach Einführung einer Maut stellt sich derzeit nicht. Allerdings ist klar, dass der Bund zu wenig Geld für die Verkehrswege bereitstellt und auf Dauer die Infrastruktur erheblich leidet. Im April hatte die Verkehrsministerkonferenz in Auftrag gegeben, Möglichkeiten einer nutzerbezogen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung ergebnisoffen zu untersuchen. Dabei war immer entscheidende Voraussetzung, dass es zu keiner Mehrbelastung der deutschen PKW-Nutzer kommen darf. Sind Sie jetzt für oder gegen eine Maut?Bauckhage: Maut oder Vignette ist aktuell kein Thema. Ich will sie nicht, weil die Autofahrer durch die explodierenden Benzinpreise ohnehin stark belastet sind. Wenn überhaupt, müssten vorher Steuern gesenkt werden, vorzugsweise die Mineralölsteuer, denn auf die KFZ-Steuer können die Länder nicht verzichten. Der Verkehrsministerkonferenz wird ein Zwischenbericht vorgelegt, und sie wird einen Beschlussvorschlag beraten, der weitere Untersuchungen vorsieht. Nicht mehr und nicht weniger. Also Sie wollen keine PKW-Maut. Aber was wollen Ihre Länderkollegen?Bauckhage: Ich glaube nicht, dass irgendwelche Beschlüsse in Richtung Maut gefasst werden. Dazu gibt es zu viel Ablehnung. Auch wenn die Vignette natürlich einigen Charme hat: Straßennutzer aus dem Ausland würden zur Verkehrsfinanzierung herangezogen, und die Gebühr käme den Straßen zugute. Von 50 Milliarden Euro KFZ-Steuer fließen nur 20 Milliarden in diesen Bereich. Wie könnte sichergestellt werden, dass es auch eine entsprechende Entlastung für die Autofahrer gibt?Bauckhage: Die Verkehrssteuern müssten runter. In keinem Fall geht es um eine weitere "Abzocke" der Autofahrer. Es geht vielmehr darum, für unsere Verkehrswege, die einmal Spitze in Europa waren, die notwendigen Gelder bereitzustellen. Was garantiert, dass das Geld dann tatsächlich in die Verkehrsinfrastruktur fließt und nicht in Haushaltslöcher?Bauckhage: Die rechtliche Situation der Nutzerfinanzierung ist eindeutig: Die Einnahmen, die durch Nutzung des Verkehrswegs erzielt werden, etwa durch die LKW-Maut, sind zweckgebunden und werden ohne Umweg über den Bundeshaushalt wieder in die Verkehrsinfrastruktur investiert. Die existierende Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft muss in eine kreditfähige Finanzierungsgesellschaft umgewandelt werden, die die Nettoeinnahmen der LKW-Maut erhält und diese wieder in die Bundesfernstraßen investiert. Ist eine Vignette mit Festbetrag nicht bloß die Vorstufe zum Einstieg in eine Maut nach Vorbild der LKW-Gebühr, die nach gefahrenen Kilometern abgerechnet wird und erheblich teurer werden kann?Bauckhage: Eine fahrleistungsabhängige PKW-Maut steht derzeit nicht zur Entscheidung an, da das System der LKW-Maut technisch nicht auf die über 45 Millionen PKW übertragbar ist. d Das Gespräch führte unser Redakteur Joachim Winkler.

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