"Ich würde es wieder so machen"

FREUDENBURG. Ein junger Mann aus Freudenburg im Kreis Trier-Saarburg wollte eine Schlägerei verhindern und wurde dabei verletzt. Jetzt kämpft er für Gerechtigkeit.

 Rückkehr an den Ort des Geschehens: Tim Büdinger am Eingang von Oberleuken, jenem Ort, in dem er eine Schlägerei schlichten wollte und dabei selbst zur Zielscheibe von Gewalt wurde.Foto: Friedemann Vetter

Rückkehr an den Ort des Geschehens: Tim Büdinger am Eingang von Oberleuken, jenem Ort, in dem er eine Schlägerei schlichten wollte und dabei selbst zur Zielscheibe von Gewalt wurde.Foto: Friedemann Vetter

Nein, verbittert sei er nicht, allenfalls ein wenig enttäuscht, vielleicht auch sauer, sagt Tim Büdinger. Trotzdem ist er sich absolut sicher: "Ich würde es genau so wieder machen." Der 19-Jährige aus Freudenburg klingt überzeugend. Dabei hätte er allen Grund, eben nicht mehr genau so zu reagieren wie vor fast einem Jahr. Freitag, 23. August 2002: Tim geht mit Freunden auf die im Saargau beliebte Schweinswädfete im saarländischen Nachbarort Oberleuken. Irgendwann nach Mitternacht. Direkt neben Tim zettelt jemand eine Schlägerei an. Der Zivildienstleistende überlegt nicht lange, wirft sich zwischen die Streithähne. "Eine Kurzschlussreaktion, ich bin einfach nur dazwischen gegangen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich in Gefahr bringe", erinnert er sich. Plötzlich liegt Tim am Boden, er merkt, wie jemand auf ihn eintritt. Er habe Fußtritte ins Gesicht bekommen, sagt Tim. Wut auf die Polizei

Der junge Freudenburger rappelt sich auf, er blutet aus dem Mund. Einer der Schläger hat ihm die vorderen zwei Schneidezähne ausgetreten. Tim hat Schmerzen. Zusammen mit seinen Freunden fährt er zur Polizei nach Saarburg. Und hier fängt das an, was Tims Eltern heute noch in Rage bringt. Den jungen Leuten wird auf der Wache gesagt, man sei nicht zuständig, die Schlägerei habe sich im Saarland ereignet, das betreffe die Kollegen in Merzig. Immer wieder, so die Darstellung von Tim Büdinger, versuchen er und seine Freunde den diensthabenden Polizisten davon zu überzeugen, den Vorfall zumindest aufzunehmen. Verärgert geben die jungen Männer auf. Seine Freunde bringen den immer noch blutenden Tim ins Saarburger Krankenhaus. Dort werden irreparable Schäden an vier Zähnen festgestellt, die fehlenden Schneidezähne müssen ersetzt werden. Eine langwierige Behandlungbeginnt. Am nächsten Tag berichtet Tim seinen Eltern, die gerade aus dem Urlaub kommen, was passiert ist. Sie sind stolz auf ihren Sohn, darauf, dass er Zivilcourage gezeigt hat, dass er versucht hat, eine Schlägerei zu schlichten. "Wir haben unseren Jungen so erzogen, dass er nicht wegschaut", erzählt Mutter Jutta Büdinger. Was aber nicht heißen solle, dass er sich um jeden Preis selbst in Gefahr bringen solle. Er hat das getan, was die Polizei just zu dieser Zeit mit ihrer Kampagne "Wer nichts tut, macht mit", propagiert: Er hat Zivilcourage gezeigt - allerdings ist er dabei selbst zum Opfer geworden. Monika Peters, Sprecherin des Trierer Polizeipräsidiums, lobt Tims Courage, obgleich sie sagt, es wäre in der Situation wohl besser gewesen, die Polizei zu rufen, statt einzugreifen. Sie gesteht auch ein, dass hinterher bei der Polizei in Saarburg nicht alles "so optimal" gelaufen sei. Natürlich könne ein Vorfall bei jeder Polizeidienststelle aufgenommen werden, auch wenn er sich jenseits der Landesgrenze ereignet habe. Peters versichert aber, dass die Saarburger Polizei den Fall an die Merziger Kollegen weitergeleitet habe. Ein paar Tage nach der Tat sucht die Polizei in Merzig jedenfalls per Zeitung Zeugen der Schlägerei. Doch Tims Eltern sind enttäuscht von der Polizei. "Da wird für mehr Zivilcourage geworben, und gleichzeitig dafür gesorgt, dass ein Junge, der genau diese Zivilcourage gezeigt hat, das Vertrauen in die Polizei verliert. Das ist traurig", sagt Vater Hans. Die Familie fühlt sich im Stich gelassen, sie sammelt selbst Informationen über den Ablauf der Schlägerei, befragt Besucher des Festes. Sie nennt der Polizei potenzielle Verdächtige. Die Polizei ist sich ziemlich schnell sicher, den Täter, denjenigen, der die Schlägerei angezettelt hat, gefasst zu haben. Im März kommt es zum Prozess vor dem Amtsgericht Merzig. Dort dann der nächste Schlag, der die Büdingers an Gerechtigkeit zweifeln lässt. Der von Zeugen als Täter Identifizierte wird für die Schlägerei verurteilt. Doch durch widersprüchliche Zeugenaussagen kann nicht geklärt werden, ob er auch an Tims Verletzungen schuld ist. Die verlorenen Zähne, die Schmerzen, sie bleiben ungesühnt. Die gezeigte Zivilcourage wird nicht honoriert. "Das ist äußerst unbefriedigend", sagt auch Tims Anwältin Ruth Streit-Stifano. Doch die Büdingers geben nicht auf, obwohl sie genervt sind, weil sich das Ganze schon so lange hinzieht. Ein Zivilprozess gegen den verurteilten Schläger soll Gerechtigkeit bringen. Tim, der demnächst Informatik an der Trierer Fachhochschule studieren wird, sieht es gelassen. Er weiß, dass er richtig gehandelt hat, auch wenn er zum Opfer geworden ist.

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