Katholische Kirche „Ich wurde nicht vom Satan vergewaltigt“

Trier · Bischof Stephan Ackermann muss sich bei einer Diskussion über die Missbrauchsstudie in Trier einiges an Kritik anhören.

 Thomas Schnitzler, Sprecher der Opfervereinigung Missbit, liest der katholischen Kirche die Leviten.

Thomas Schnitzler, Sprecher der Opfervereinigung Missbit, liest der katholischen Kirche die Leviten.

Foto: TV/Rolf Seydewitz

Alles nur Zufall? Es ist gerade einmal einen knappen Monat her: Stephan Ackermann weilte mit seinen drei Weihbischöfen auf der Bischofkonferenz im niedersächsischen Lingen und diskutierte über Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie, da hagelte es im Heimatbistum des 56-Jährigen Negativ-Schlagzeilen. Der Grund: Einer von Ackermanns Diakonen war beurlaubt worden, weil gegen den Mann wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften ermittelt wird.

Am gestrigen Dienstag ist die Situation ähnlich: Während der Bischof auf den Höhen Triers im Robert-Schuman-Haus mit Pastoral- und Gemeindereferenten über die Studie diskutiert, wird anderswo im Bistum darüber debattiert, warum ein örtlicher Ruhestandspriester von heute auf morgen plötzlich keine Messe mehr feiert.

Es gebe „ein kirchenrechtliches Voruntersuchungsverfahren“, sagt Bischofssprecherin Judith Rupp auf Anfrage unserer Zeitung, und es seien „entsprechende Maßnahmen für die örtliche Ebene und den Einsatz des Ruhestandsgeistlichen getroffen“ worden.

Noch sind es nur „Hinweise von Dritten, nicht von direkt betroffenen Personen“, mit denen sich der bislang angesehene Priester konfrontiert sieht. Doch sie reichten immerhin aus, dass das Bistum Trier die Staatsanwaltschaft über die Vorwürfe informierte und der Bischof ein kirchenrechtliches Verfahren einleitete.

Der jüngste Vorgang zeigt vor allen Dingen eines: Die Verantwortlichen im Trierer Generalvikariat scheinen beim Thema Missbrauch inzwischen sensibler geworden zu sein. Während vor nicht allzu langer Zeit bei einem derartigen Hinweis Dritter zunächst einmal nichts passiert wäre, klingen hinterm Dom mittlerweile rasch die Alarmglocken – selbst auf die Gefahr hin, am Ende einmal mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, man habe übers Ziel hinausgeschossen.

Es ist das Thema Glaubwürdigkeit und Transparenz, das an diesem Dienstagvormittag im Robert-Schuman-Haus immer wieder aufs Tapet kommt. Der Wissenschaftler Professor Jörg Michael Fegert spricht darüber, die Opfervertreter sprechen es an, und die zahlreich anwesenden Gemeinde- und Pastroralreferenten fordern es ein, nachdem sie zuvor in Kleingruppen über das zuvor Gehörte debattiert haben.

Man kann in der Aula über weite Strecken eine Stecknadel fallen hören, so ruhig ist es , wenn die Referenten reden. Dabei dürfte vor allem der Auftritt von Thomas Kiessling viele überrascht haben. Der bekannte Tenor hatte erst vor wenigen Wochen erstmals öffentlich bekannt, als Kind von einem Benediktinerpater missbraucht worden zu sein. Jetzt steht der 56-Jährige hinter dem Rednerpult und spricht frei, ohne Manuskript, über die schrecklichen Erlebnisse seiner Kindheit und die tollen Therapeuten, „die mir geholfen haben, hier zu stehen, ohne zu zittern“.

 Thomas Kiessling, Trierer Tagung zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche am 9. April 2019

Thomas Kiessling, Trierer Tagung zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche am 9. April 2019

Foto: TV/Rolf Seydewitz
 Der Trierer Bischof Stephan Ackermann im Gespräch mit dem Beirat der Missbrauchsstudie, dem Ulmer Professor Jörg Michael Fegert.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann im Gespräch mit dem Beirat der Missbrauchsstudie, dem Ulmer Professor Jörg Michael Fegert.

Foto: TV/Rolf Seydewitz

Kiessling prangert und klagt an, auch Papst Franziskus, der die Täter als „Werkzeuge des Satans“ bezeichnet hatte. Er sei von einem Menschen und nicht vom Satan vergewaltigt worden, sagt Kiessling, der aber eindringlich davor warnt, jetzt alle Priester unter Generalverdacht zu stellen. „Es gibt viele, die tolle Arbeit leisten, und die stehen jetzt da mit am Pranger.“ Während Thomas Kiessling das sagt, sitzt der Trierer Bischof nur wenige Meter entfernt in der ersten Reihe. Stephan Ackermann muss sich an diesem Vormittag einiges anhören. Das meiste ist nicht so nett, wie die letzte Bemerkung Kiesslings. Er wolle als Missbrauchsbeauftragter dennoch weitermachen, sagt Ackermann auf Nachfrage, auch wenn die Aufgabe manchmal ziemlich anstrengend sei.

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