Im Bombenhagel der Alliierten

Großlittgen · Zwischen dem 17. und dem 27. Dezember 1944 hat die alliierte Luftwaffe eine Bombenlast von rund 31 000 Tonnen über der Eifel- und Moselregion abgeworfen. An Heiligabend desselben Jahres tötete ein Teil dieser Last 70 Menschen in der Kreisstadt Wittlich und richtete in den heutigen Stadtteilen schwere Schäden an. Fünf Tage später musste auch das Eifeldorf Großlittgen zahlreiche Tote sowie schwerste Zerstörungen der Häuser und Infrastruktur hinnehmen.

 Das zerstörte Wittlich nach den Bombenabwürfen der alliierten Luftstreitkräfte. Foto: Kreisbildarchiv/Repro: Markus Philipps

Das zerstörte Wittlich nach den Bombenabwürfen der alliierten Luftstreitkräfte. Foto: Kreisbildarchiv/Repro: Markus Philipps

Großlittgen. Als die deutsche Wehrmacht am 16. Dezember 1944 die sogenannte Ardennenoffensive einleitete, rückte die Eifel- und Moselregion ins engere Visier der amerikanischen Militärstrategen. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem die Verkehrsknotenpunkte Wittlich (für den 19., 20. und 21. Dezember) und Wengerohr (21. Dezember 1944) als bedeutende Ziele der US-Bombergruppen ausgewählt. Da in den ersten Tagen der Offensive jedoch schlechte Witterungsbedingungen herrschten, mussten die geplanten Einsätze zunächst verschoben werden. Nur wenige Tage später griffen 62 Flugzeuge der US-Luftstreitkräfte an Heiligabend 1944 die Kreisstadt Wittlich an und zerstörten mit einer 168 Tonnen schweren Bombenlast große Teile des Stadtgebietes. Bei diesem Großangriff in den Mittagsstunden wurden 70 Menschen getötet und zahlreiche Personen verwundet. Da es von Seiten der geschwächten deutschen Luftwaffe keine Gegenwehr gab, konnten die Bomberbesatzungen für spätere Feindflüge relevante Beobachtungen der Zielregion vornehmen.
Fünf Tage später starteten die Amerikaner am 29. Dezember 1944 von England aus einen weiteren Anflug der Bomber auf die Eifelstadt. Eine geschlossene Wolkendecke machte jedoch einen gezielten Angriff an diesem Tag unmöglich. So fielen die für Wittlich bestimmten Bomben in ein Waldgebiet in der Nähe von Altrich. Dort wurde der Soldat Andreas Neubürger, der auf Heimaturlaub war, im Bombenhagel getötet.
Da die Wolkendecke über Großlittgen zu dieser Zeit aufriss und die Sicht auf den Boden freigab, konnten die Besatzungen von zwölf Bombern ihre tödliche Last gezielt über dem Dorf abwerfen. Der Luftangriff traf Großlittgen mitten im Ortskern und zerstörte einige Häuser komplett. Erst am folgenden Tag wurde das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar. Dabei stellte sich heraus, dass kaum ein Haus unbeschädigt geblieben war. Dass der Ort zum Angriffsziel wurde, kann auch auf militärische Ansiedlungen in der Umgebung des Dorfes zurückgeführt werden. Dort gab es seinerzeit Munitionslager, Wohnbaracken und einen Schießstand im Distrikt "Talscheid".
Der Großlittgener Paul Schuh berichtete damals als Augenzeuge des Geschehens: "In den frühen Morgenstunden hatten feindliche Aufklärungsflugzeuge exerzierende deutsche Heereseinheiten beobachtet. In der Mittagstunde griffen amerikanische Bomber den Ort an. In wenigen Minuten war Großlittgen ein Bild der Zerstörung. Über 30 Prozent der Gebäude waren nicht mehr bewohnbar, der größte Teil der Wasser- und Lichtleitungen zerstört. Vier Häuser der Eigentümer Gotthard Bohn, Peter Thiel, Peter Schmitz und Peter Heck wurden total zerstört und begruben viele Tote unter sich. Die Familie Peter Thiel wurde sehr hart betroffen. Herr Thiel war als Waldarbeiter beschäftigt und weilte zum Zeitpunkt des Angriffes im Wald. Nach dem Luftangriff eilte er sofort nach Hause. Bei seiner Rückkehr fand er nur noch Trümmer vor, seine Frau und seine zehn Kinder waren unter den Trümmern begraben. Auch die Pfarrkirche wurde durch mehrere Bombentreffer im Inneren vollständig zerstört. Das Dorf war ohne Licht und Wasser. Zum Glück waren noch einige Wasserbrunnen intakt, und so konnte man sich derer, wenn auch mühevoll, bedienen."
Obwohl nur ein Drittel der abgeworfenen Bomben ihr Ziel traf, forderte der Angriff das Leben von 28 Großlittgener Bürgern. Unter den Todesopfern befand sich auch Wilhelm Kraus, der erst drei Tage nach dem Bombardement gefunden wurde. Er wurde durch die Druckwelle einer Bombe auf die Scheune des Schmieds geschleudert. Einige Dorfbewohner konnten hingegen noch lebend aus den Trümmern geborgen werden. So auch Johanna Steffen: Sie wurde 48 Stunden nach dem Angriff aus den Überresten eines zerbombten Hauses gerettet. Selbst drei Tage nach dem Angriff konnte die leicht verletzte Lehrerin Maria Mertens aus Mönchengladbach ebenfalls aus den Trümmern desselben Hauses befreit werden.
Trotz der immensen Zerstörungen, die von der US-Luftaufklärung nach den Bombenabwürfen registriert werden konnten, gab es in den folgenden Wochen weitere Luftangriffe auf Wittlich und die umliegenden Orte.Extra

Von der Bombardierung der Region Wittlich waren im Zeitraum Dezember 1944 bis Januar 1945 auch die beiden Ortschaften Wengerohr und Platten schwer betroffen. Am 1. Weihnachtstag 1944 griffen 47 Flugzeuge der 410. Bomber gruppe vom Typ A-20 Havoc (siehe Foto) den Verkehrsknotenpunkt Wengerohr an. Dabei zerstörten sie den Bahnhof, Waggons sowie Teile der strategisch bedeutenden Eisenbahnlinie Trier-Koblenz. Verheerende Auswirkungen hatte auch das Bombardement auf das Dorf Platten am 28. Januar 1945. Hierbei starben 83 Menschen, darunter fast alle Kommunionkinder des Dorfes mit ihrem Pfarrer. Diese befanden sich zum Zeitpunkt des Angriffes in der Pfarrkirche St. Martin. phi

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