Im Marathon von Patient zu Patient

Schlechte Arbeitsbedingungen, Marathon-Dienste, unbezahlte Überstunden: Die Klinik-Ärzte im Land gehen auf die Barrikaden. Trotz Arbeitzeitgesetz und neuem Tarifvertrag würde weiterhin gegen Vorschriften verstoßen. Über die Hälfte der Mediziner ist mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden und will den Job aufgeben.

Trier. (wie) 48 Stunden pro Woche - mehr darf ein Arbeitnehmer in Deutschland eigentlich nicht arbeiten. Eigentlich. Glaubt man den Klinik-Ärzten, halten sich deren Arbeitgeber kaum an diese Vorschrift. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz seien auch in Rheinland-Pfalz keine Einzelfälle, sondern "trauriger Regelfall", kritisiert der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke - und das, obwohl die Ärzte vor einigen Monaten wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und für eine bessere Bezahlung auf die Straße gegangen waren und einen neuen Tarifvertrag erkämpft hatten. Marathon-Dienste von 50 oder 60 Stunden sind demnach keine Seltenheit. Von 610 Klinik-Ärzten aus Rheinland-Pfalz gaben bei einer Befragung des Marbuger Bundes 444 an, mehr als 50 Stunden in der Woche zu arbeiten, 248 davon berichten sogar von 60-Stunden-Wochen. Mehr als die Hälfte der befragten Mediziner erhält gar kein Geld für die geleisteten Überstunden. Folge: Jeder zweite Arzt ist unzufrieden, will seinen Job aufgeben. "Das sollte der Politik ein Warnzeichen sein", sagt Marburger-Bund-Chef Henke. Er reagiert damit auf die Darstellung von Gesundheitsministerin Malu Dreyer. Danach sollen nur in wenigen Kliniken im Land Verstöße gegen die Arbeitszeitregelung festgestellt worden sein. 34 von rund 100 Kliniken in Rheinland-Pfalz hätten keine Probleme mit der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes. Tatsächlich sei aber die Welt der Klinik-Ärzte nicht so heil, wie dies die Landesregierung der Öffentlichkeit vermitteln will, kritisiert Henke. "Es macht einen großen Unterschied aus, ob man die betroffenen Ärzte selbst fragt oder deren Arbeitgeber." Die Überschreitung der gesetzlich festgelegten Arbeitszeit ist ein Dauerthema. Vor drei Jahren bereits stellte die Gewerbeaufsicht bei Kontrollen von 18 Kliniken im Land in elf Fällen Überschreitungen der Arbeitszeit von Ärzten fest. Wie groß die Unzufriedenheit der Krankenhausärzte auch in der Region ist, zeigte sich erst vergangene Woche beim Schengener Forum in Trier, bei dem Journalisten aus der Großregion mit Gesundheitsexperten, Krankenhausmanagern und Ärzten diskutierten. Die Mediziner kritisierten dabei immer wieder die schlechten Arbeitsbedingungen in den Kliniken. Es sei auch immer schwerer, Nachwuchs zu finden. Viele Kollegen wanderten nach Luxemburg ab. Überstunden seien an der Tagesordnung, heißt es bei den Ärzten immer wieder.

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