Im US-Kongress weht ein neuer Wind

Washington · In Washington nimmt ein neuer Kongress seine Arbeit auf, ein Parlament, das die Republikaner so klar beherrschen wie lange nicht. Während ihre Spitzen kompromissbereitere Töne anschlagen, sind die nächsten Kraftproben mit Präsident Barack Obama bereits programmiert.

Washington. Eigentlich sollte es eine Feierstunde werden, die John Boehner und Mitch McConnell mit großer Geste zu zelebrieren gedachten. Lange nicht mehr hat eine Partei den Kongress so klar dominiert, wie es die Republikaner jetzt tun. Erstmals seit 2006 kontrollieren sie beide Kammern des Parlaments, und dies mit einem zahlenmäßigen Übergewicht gegenüber den Demokraten, wie man es seit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre nicht mehr kannte.
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Doch statt sich im Erfolg zu sonnen, bekommt es Boehner, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, einmal mehr mit den Rebellen in den eigenen Reihen zu tun, während McConnell, der neue Mehrheitsführer des Senats, ungewohnt bescheiden von den Grenzen der Macht spricht.
Knapp zwei Dutzend Tea-Party-Fundamentalisten hatten angekündigt, Boehner die Stimme zu verweigern, weil er einen zu laschen Oppositionskurs gegen das Kabinett Barack Obamas fahre. An seiner Wahl zum Speaker ändert es nichts, doch allein schon der bizarre Auftakt macht deutlich, wie turbulent es auch im neuen Kongress zugehen dürfte.
Der alte, der 113. der US-Geschichte, wird als einer der unproduktivsten überhaupt in die Annalen eingehen. Zerstritten bis an den Rand der Handlungsunfähigkeit, verabschiedeten Republikaner und Demokraten so wenige Gesetze wie noch nie in einer Legislaturperiode seit dem Zweiten Weltkrieg. Kein Wunder, dass rund zwei Drittel der Amerikaner die vergangenen zwei Jahre als Tiefpunkt der parlamentarischen Chronik einstufen.

Bisher waren es die Demokraten, war es die Regierungspartei, die der Souverän für den frustrierenden Stillstand bestrafte. Kommt keine Bewegung in die festgefahrenen Fronten, laufen nunmehr die Republikaner Gefahr, für die Blockade die Quittung zu kassieren, 2016, wenn zum nächsten Mal ein Präsident gewählt wird. Was dazu führt, dass McConnell, ein Mann, der wie kaum ein anderer für eine beinharte Totalopposition gegen Obama steht, auf einmal staatstragende, fast versöhnliche Töne anschlägt. Er möchte es unbedingt loswerden, das Image der "Party of No", die zu allem und jedem Nein sagt.
Der Wähler solle nicht glauben, "dass es beängstigende Folgen hat, wenn er einen republikanischen Kongress durch einen republikanischen Präsidenten ergänzt", sagte der Veteran aus Kentucky in einem Interview der Washington Post. Man wolle verantwortungsvoll mitregieren, statt - wie beim Schuldenpoker 2011 und 2013 - fiskalpolitische Gratwanderungen zu riskieren. Die weichgespülte Rhetorik mag Optimisten Anlass zu leiser Hoffnung geben, in der Substanz aber deutet vorläufig nichts auf wiederentdeckte Kompromissbereitschaft.
Schon diese Woche steht das erste Kräftemessen der Konservativen mit Obama ins Haus. Im Eiltempo will das Repräsentantenhaus dem Projekt Keystone XL grünes Licht geben, einer Pipeline, durch die Öl von den Teersandfeldern Kanadas zu den Raffinerien am Golf von Mexiko gepumpt werden soll. Umweltbedenken haben den Bau bislang verhindert, Obama zögert mit einer Genehmigung, da er seine treuesten Anhänger nicht auch noch in diesem Punkt enttäuschen möchte. Die Republikaner wiederum präsentieren die Röhren (nach Ansicht von Experten weit übertrieben) als eine Art Jobwunder, das den Aufschwung antreibt wie ein Turbo.
Dass die Novelle die Abgeordnetenkammer passiert, gilt als sicher. Im Senat dagegen dürfte es knapp werden: Mit 54 von 100 Sitzen hat die "Grand Old Party" zwar die Mehrheit, aber eben nicht die 60 Mandate, die eine Partei braucht, um die Bremsmanöver der Gegenseite, etwa nächtelange Dauerreden, zu beenden. Schließlich kann der Präsident sein Veto einlegen, sollten beide Kammern mit Ja stimmen.
Als Nächstes nehmen sich die Republikaner wieder einmal die Gesundheitsreform vor, jene Pflicht zur Krankenversicherung, die in den Augen von Tea-Party-Ideologen auf sozialistische Verhältnisse auf amerikanischem Boden hinausläuft. Den Kern des Gesetzes können sie zwar nicht mehr kippen, wohl aber einige Paragrafen aushebeln. Auch der Abschiebestopp für rund fünf Millionen Immigranten ohne Papiere, wie ihn Obama im November per Dekret verfügte, soll angefochten werden. Und bevor das Weiße Haus einen Botschafter nach Havanna entsenden kann, muss der Senat die Personalie bestätigen. Im Moment sieht es nicht so aus, als hätte er damit große Eile.

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