Immer älter, immer weniger

MAINZ. Die Rheinland-Pfälzer werden weniger und älter. Zuwanderung wird dieses demographische Problem nur abmildern, nicht lösen, sagt der Präsident des Statistischen Landesamtes, Jörg Berres. Nur über eine höhere Geburtenrate könnte die Alterung gestoppt werden, sagt Berres im TV -Interview.

Sterben die Rheinland-Pfälzer aus? Berres: Nein, die Rheinland-Pfälzer werden nicht aussterben - jedenfalls nicht in den nächsten 50 Jahren. Bis zum Jahr 2015 wird die Bevölkerung fast unverändert bleiben. Langfristig, das heißt bis zum Jahr 2050, könnte es jedoch zu einem beträchtlichen Bevölkerungsrückgang kommen. Wegen der großen Unsicherheiten in der Entwicklung der Parameter, die von der Geburtenrate angefangen über Lebenserwartung bis zum Wanderungssaldo die Bevölkerungsentwicklung bestimmen, ist es bei Vorausberechnungen üblich, mit Szenarien zu arbeiten. Und was sagen diese Modelle? Berres: Unsere drei Szenarien basieren auf unterschiedlichen Annahmen zur Lebenserwartung und zum Wanderungssaldo. Bis 2015 haben wir in der oberen Variante eine konstante Bevölkerung, in der mittleren Variante beläuft sich der Rückgang auf zwei Prozent und in der unteren Variante auf drei Prozent. Bis 2050 ergeben sich je nach Variante Bevölkerungsrückgänge von acht, 18 und 25 Prozent. Welche Auswirkungen hat die Entwicklung auf die Altersstruktur? Berres: Die zunehmende Alterung ist gesellschaftlich unter Umständen bedeutsamer als der Rückgang der Bevölkerung. Bereits mittelfristig bis 2015 wird die Zahl der jüngeren Menschen unter 20 Jahren um bis zu 17 Prozent sinken, langfristig sogar bis zu 41 Prozent. Die Altersgruppe der 20- bis 60-Jährigen, die im Wesentlichen das Arbeitskräftepotenzial stellt, wird zumindest langfristig kräftig zurückgehen. Ältere Menschen über 60 Jahren, die heute ganz überwiegend Ruheständler sind, wird es schon mittelfristig bis 2015 deutlich mehr geben. Im Jahr 2050 könnte es ein Drittel mehr ältere Menschen geben als heute. Wenn sich nichts ändert, könnten in 50 Jahren auf vier Personen im erwerbsfähigen Alter drei nicht mehr erwerbstätige kommen, heute sind es zwei Personen. Wie wirkt sich die politisch umstrittene Zuwanderung aus? Berres: Zuwanderung von jungen, gut qualifizierten und leistungsfähigen Menschen könnte die Entwicklungen und ihre Auswirkungen abmildern. Wirtschaftlich würden sie dem Land auf jeden Fall helfen. Eine Lösung für die demographischen Probleme stellt die Zuwanderung jedoch wohl eher nicht dar. Um die Bevölkerung konstant zu halten, bräuchten wir langfristig eine jährliche Nettozuwanderung von etwa 20 000 Personen. Wenn man die ungewöhnlich hohe Zuwanderung zu Beginn der 90er Jahre außen vor lässt, dann sind in den letzten 30 Jahren im Durchschnitt jährlich etwas über 8000 Personen netto nach Rheinland-Pfalz zugewandert. Die demographische Alterung der Bevölkerung wird aber auch eine jährliche Nettozuwanderung in Höhe von 20 000 Personen nicht aufhalten können. Dazu bräuchten wir nach vorsichtiger Schätzung das Sechsfache dieser Zuwanderung. Welche Regionen trifft der Bevölkerungsschwund besonders? Berres: Bevölkerungszahl und Altersstrukturen im Land sind bereits regional sehr unterschiedlich, es gibt kreisspezifische Unterschiede bei Geburtenrate und Sterblichkeit. Auch die Wanderungen über die Landesgrenze sind verschieden. Wenn diese Unterschiede in die Zukunft fortgeschrieben werden, ist bei den kreisfreien Städten der stärkste Rückgang in Pirmasens zu erwarten. Bis 2050 wären alle Städte von Rückgängen betroffen; am geringsten würden sie in Speyer und Trier ausfallen. Was kann ein Statistiker der Politik raten? Berres: Die wichtigsten Einflussgrößen auf die Bevölkerungsentwicklung sind Geburtenrate und Wanderungssaldo. Im Vergleich zu den aktuellen EU-Mitgliedsstaaten hat Deutschland mit derzeit rund 1,3 Kindern je Frau eine der niedrigsten Geburtenraten, während Frankreich beispielsweise eine Rate von 1,9 verzeichnen kann. Die Modellrechnungen zeigen, dass die Alterungsproblematik letztlich nur über eine Erhöhung der Geburtenrate gelöst werden kann. Dafür müssen in Deutschland längerfristig sicherlich die familienpolitischen Rahmenbedingungen noch weiter verbessert werden. Dem mittel- bis langfristig zu erwartenden Rückgang des Arbeitskräftepotenzials müsste mit einer vorausschauenden Zuwanderungspolitik begegnet werden, begleitet von einer Bildungs- und Ausbildungspolitik, die das Qualifikationsniveau und damit die Produktivität unserer erwerbsfähigen Bevölkerung weiter verbessert. Das Interview führte unser Korrespondent Joachim Winkler.

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