Immer mehr Autos und LKW, aber immer weniger Geld

Der Verkehr auf den deutschen Straßen nimmt immer mehr zu, und der Sanierungsbedarf an Fahrbahnen und Brücken ist gewaltig. Klar, dass die Politiker sich aufmachen, um das nötige Geld dafür zu beschaffen.

Berlin. Wenn Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) heute im Bundestag über den Haushalt seines Ministeriums reden wird, wird er das böse Wort tunlichst vermeiden: PKW-Maut. Vor wenigen Wochen hatte sich Ramsauer ordentlich den Mund verbrannt, als er über die Einführung der Nutzungsgebühr schwadronierte. Die ist zwar CSU-Beschlusslage, aber davon will die Partei nichts mehr wissen: "Steht nicht im Koalitionsvertrag", sagt auch Andreas Scheuer (CSU), einst glühender Anhänger einer Vignette, jetzt parlamentarischer Staatssekretär bei Ramsauer. Und FDP-Experte Patrick Döring, früher zumindest gegen Denkverbote, bläst heute ins selbe Horn. Bleibt die Frage, wie die Verkehrsinfrastruktur künftig finanziert werden soll?

Jede zweite Brücke weist Mängel auf



Die Blechlawine rollt, und sie wird immer länger: Der Verkehr staut sich in Deutschland laut ADAC in nur einem Jahr auf eine Strecke, die fast das Zehnfache des Erdumfangs ausmacht, also 400 000 Kilometer. Und wenn Experten nach der Zunahme des Güterverkehrs auf deutschen Straßen gefragt werden, malen sie düstere Szenarien: Bis 2025 um rund 80 Prozent, heißt es. Dem gegenüber steht ein massiver Sanierungsbedarf - bestes Beispiel sind die Autobahnbrücken: Fast jede zweite Brücke weist laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen ernstzunehmende Mängel auf. Hinzu kommt eine lange, milliardenschwere Liste mit Neubauvorhaben, die noch auf Realisierung wartet.

Nach Informationen unserer Zeitung nimmt das Verkehrsministerium jetzt erneut eine Bedarfsprüfung vor, wie bei den Investitionsprojekten der Bahn, die bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein soll. Weit über 1000 noch nicht begonnene Vorhaben werden derzeit überprüft, Investitionen von rund 25 Milliarden Euro stehen dahinter. Florian Pronold, SPD-Experte, weiß, warum: Die Maßnahmen der schwarz-gelben Koalition in der Steuerpolitik würden erhebliche Finanzlöcher auch in den Verkehrsetat reißen. Es muss also gespart werden. Hinzu kommen krisenbedingt geringere Einnahmen bei der LKW-Maut und weniger Mittel durch das Auslaufen der Konjunkturprogramme.

Mit 26,4 Milliarden Euro fällt Ramsauers Haushalt etwas geringer aus als noch 2009. In diesem Jahr stehen 12,6 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen bereit. Nach Auslaufen der beiden Konjunkturprogramme bleiben 2011 noch etwas mehr als zehn Milliarden, danach aber deutlich weniger: Steuermindereinnahmen und Sparzwänge lassen grüßen.

Für den ADAC ist klar: Eine PKW-Maut löst die Probleme nicht. Der Automobilclub präsentierte gestern in Berlin ein Gutachten, wonach Autofahrer über KFZ- und Mineralölsteuer weit mehr bezahlen, als der Staat für das Straßennetz ausgibt. PKW-Fahrer decken demnach die von ihnen verursachten Kosten für Straßen insgesamt zu 208 Prozent ab, für Autobahnen sogar zu 421 Prozent, mautpflichtige Lastwagen zu gut 200 Prozent. Nur: Andere Expertisen haben ergeben, dass die Steuern und Abgaben für den Straßenverkehr deutlich unter den gesamtwirtschaftlichen Kosten liegen. Das wiederum spricht für die Einführung einer Maut oder Vignette, sagen die Befürworter.

Angesichts von 40 Millionen Autofahrern, die auch Wähler sind, will die Koalition diesen Weg vorerst nicht gehen. Stattdessen sollen die Finanzströme neu geordnet und neue Finanzierungskreisläufe aufgebaut werden. Das heißt, dass zum Beispiel die LKW-Maut-Einnahmen künftig nicht mehr übergreifend verwendet werden, sondern nur noch dem Straßenbau zufließen. Experten glauben allerdings, dass das zur Finanzierung der Infrastruktur längst nicht ausreichen wird. Die unbequeme Maut- oder Vignetten-Entscheidung müsste dann vor allem einer forcieren: Finanzminister Wolfgang Schäuble. Vielleicht nach der NRW-Wahl?

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