In der Urne zu den Angehörigen

Trier · Bremen lockert als erstes deutsches Bundesland sein strenges Bestattungsrecht. Ob dem Beispiel andere Bundesländer folgen, ist noch unklar. In Rheinland-Pfalz sehen die Verantwortlichen zwar aktuell keinen Handlungsbedarf, räumen aber ein: "Wir verfolgen das mit Interesse."

Trier. Wenn Nils-Wolf Hammer auf die jüngsten Entscheidungen in der Bremer Bürgerschaft angesprochen wird, nickt der Saarburger zufrieden mit dem Kopf. "Da muss sich auch etwas tun", sagt der 79-Jährige, "der Druck wird weiter wachsen." Nils-Wolf Hammer hat selbst Druck gemacht - vor vier Jahren. Damals ist der Architekt vors Trierer Verwaltungsgericht gezogen. Hammer wollte erreichen, dass die Urne mit seiner Asche dereinst im heimischen Garten beigesetzt werden darf. Die Kreisverwaltung Trier-Saarburg hatte ihm dafür keine Genehmigung erteilt; zu Recht nicht, urteilten seinerzeit auch die Trierer Verwaltungsrichter unter Verweis auf das rheinland-pfälzische Bestattungsgesetz.
Lebte der Saarburger in den Niederlanden, hätte es das juristische Tauziehen nicht gegeben. Im Nachbarland gibt es keinen Friedhofszwang; Angehörige können die Urnen mit der Asche Verstorbener mit nach Hause nehmen, eine Möglichkeit, von der inzwischen auch immer mehr Deutsche Gebrauch machen.
Mit ein Grund, warum die regierenden Sozialdemokraten und Grünen in Bremen jetzt ihr Bestattungsrecht lockern. Voraussichtlich ab Frühjahr nächsten Jahres dürfen Angehörige dort Urnen mit nach Hause nehmen, sofern der Verstorbene dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Eine weitere Voraussetzung der auf zwei Jahre befristeten Genehmigung: Eine Urnengrabstelle muss reserviert und finanziert sein. "Ein Zugeständnis an den Koalitionspartner", sagt Mitinitiatorin Maike Schaefer (Grüne) unserer Zeitung. Für Schaefer ein noch wichtigerer Punkt bei der Neuregelung: Auf ausgewiesenen Friedhofsflächen soll die Asche ausgestreut werden dürfen. Zudem soll geprüft werden, auf welchen anderen Flächen dies ebenfalls erlaubt werden kann - etwa am Lieblingsort des Verstorbenen. "Da gibt es bei uns eine sehr große Nachfrage", sagt die umweltpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion.
Schaefers rheinland-pfälzische Parteikollegen sind da noch etwas zurückhaltender. Zwar befürwortet auch Landesvorsitzender Thomas Petry eine Lockerung des Friedhofszwangs, schränkt allerdings ein: "Bei einem solchen Thema gilt vor allem die Politik des Zuhörens."
Bei SPD und CDU hält sich die Begeisterung dagegen merklich in Grenzen. "Kein Handlungsbedarf", heißt es unisono von den Sprechern. Genauso sehen dies auch die Vertreter von katholischer und evangelischer Kirche. "Bei allem Verständnis für individuelle Formen der Trauer halte ich die bisherige Regelung der Bestattung auf Friedhöfen für die sinnvollste", sagt Superintendent Jörg Weber vom Evangelischen Kirchenkreis Trier. Auch Bistumssprecher André Uzulis ist dagegen, dass das Gedenken an die Verstorbenen in den Privatbereich abgedrängt wird.
Guido Eis vom regionalen Bestatterverband stört an der Bremer Regelung noch etwas anderes. "Wer will denn da kontrollieren, dass die Urne nach zwei Jahren auch tatsächlich beigesetzt wird?", fragt der Wittlicher. "Es wird kein Kontrolleur vorbeikommen", sagt die Bremer Grüne Maike Schaefer, "das wird schlank gehandhabt."
Das ist auch die Devise von Nils-Wolf Hammer. Hatte der Saarburger sich nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht noch überlegt, die nächsthöhere Instanz anzurufen, sagt der 79-Jährige jetzt: "Das Juristische hat doch keinen Sinn. Ich habe meine Vorkehrungen getroffen."Pro & Contra: Meinungen

Pro: Oma entscheidet
Von Rolf Seydewitz

Wer über einen Friedhof geht, stößt auch in unserer ländlichen Region immer häufiger auf ungepflegte, verwilderte Grabstätten, um die sich seit langem kein Mensch mehr gekümmert hat. Vielleicht, weil auch die Angehörigen inzwischen verstorben oder anderswohin verzogen sind.
Die Großfamilie ist längst eine Ausnahme, große Mobilität dagegen die Regel. Die Gesellschaft wandelt sich. Warum soll ausgerechnet die Bestattungs- und Trauerkultur davon ausgenommen werden?
Es ist noch nicht allzu lange her, da waren Feuerbestattungen vor allem aus religiösen Gründen verpönt. Inzwischen sind Urnenbegräbnisse auch im Gebiet zwischen Eifel, Mosel und Hunsrück fast schon die Regel. Was soll schlimm oder moralisch verwerflich daran sein, wenn Angehörige die Urne mit der Asche Verstorbener mit nach Hause nehmen? Oder die Asche dort verstreuen, wo sich der Verstorbene zu Lebzeiten gerne aufgehalten hat - im Wald, im Garten, an einem Fluss oder wo auch immer? Entscheidend ist der letzte Wunsch des Verstorbenen, den die Angehörigen respektieren sollten. Unwürdig ist nur der immer mehr um sich greifende Leichentourismus ins Ausland. r.seydewitz@volksfreund.de

Kontra: Oma vergessen
Von Damian Schwickerath

Haste Oma dabei? Mist, die steht noch auf dem Speicher! Zugegeben, dieses Gespräch beim Umzug eines Ehepaares - sagen wir mal von Morbach nach Trier - ist frei erfunden. Könnte sich aber demnächst durchaus so abspielen, wenn das Bremer Modell Schule macht und Urnen nicht mehr bestattet werden müssen, sondern mit nach Hause genommen werden dürfen. Die Toten in Gartenhäsuchen und in Kellern, neben dem Fernseher, zwischen schmutziger Wäsche oder irgendwelchem Nippes im Bücherregal. Und wer Omas Urne nicht mehr sehen kann, stellt sie zum Sperrmüll oder schüttet die Asche ins Klo und vertickt das teure Teil bei eBay? Sieht so unsere zukünftige Bestattungskultur aus?
Warum meinen manche Zeitgenossen, sie müssten ohne jede Not Kulturen, Traditionen und Bräuche, die in Jahrhunderten gewachsen sind, kaputtmachen?
Aber irgendwie passt alles zu der unseligen Entwicklung der letzten Jahre. Die einen hängen Kreuze ab, die anderen wollen St. Martin verbieten und den Nikolaus in Rente schicken. Und als Nächstes stellen wir uns halt die Oma ins Regal. Wie weit wollen wir es eigentlich noch treiben mit dieser Gesellschaft, der nichts mehr heilig ist? d.schwickerath@volksfreund.de 

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