In Hassliebe verbunden - Trierer Richtertag diskutiert Verhältnis von Justiz und Medien

Trier · Einmal jährlich versammeln sich die Richter der Region Trier zu einem Amts- und Landrichtertag. Neben Geselligkeit pflegt man sich ein brisantes justizpolitisches Thema vorzunehmen - und traf diesmal voll ins Schwarze.

Trier. Einen guten Riecher für Aktualität hatte Landgerichtspräsident Wolfgang Krämer schon bei den ersten vier Ausgaben seiner Veranstaltung bewiesen. Aber so punktgenau wie diesmal traf er noch nie, ist doch das Verhältnis von "Justiz und Medien" spätestens nach dem Kachelmann-Prozess ein Reizthema erster Güte in der ganzen Republik. Was sich auch an der Zahl von rund 80 Richtern aus der Region ablesen lässt, die Krämers Einladung in den großen Sitzungssaal lockte.
Da war es fraglos sinnvoll, den einführenden Vortrag einem Doyen der deutschen Gerichtsberichterstattung zu übertragen, dem für seine Sachlichkeit bekannten langjährigen ZDF-Reporter Bernhard Töpper. Der einstige "Wie würden Sie entscheiden?"-Moderator relativierte denn auch mancherlei akute Aufregung mit dem in Fernsehbildern dokumentierten Beweis, dass es Medien-Hype um spektakuläre Prozesse auch schon in früheren Jahren gegeben hat.
Dennoch: Das Unbehagen angesichts der Eskalation der Gerichtsreportage zu jener Erscheinung, die Wolfgang Krämer als "Medienkampf" und "Schreibkrieg" bezeichnete, war den versammelten Juristen - darunter bemerkenswert viele jüngere Frauen - durchaus anzumerken.
Das zeigte sich in der anschließenden Podiumsdiskussion. Zu viel Spektakuläres stehe im Blickpunkt, bevorzugt Sex and Crime, "aber kaum mal die Alltagsarbeit der Justiz", monierte Wolfgang Ferner, Chef einer renommierten Anwaltskanzlei. Widerspruch seitens der Journalisten am Podium: "Menschen sind nun mal an solchen Themen interessiert", sagten TV-Chefredakteurin Isabell Funk und SWR-Reporter Frank Scheuer. Bernhard Töpper wies darauf hin, dass auch juristische Verbraucherfragen häufig in den Medien vertreten seien - nicht nur das Strafrecht.
Kachelmann hin oder her: Erstaunlich schnell begann sich die Debatte um das Tagesgeschäft vor Ort zu drehen.
Der frühere oberste Staatsanwalt in Trier, Horst Roos, beschrieb die "Hassliebe" von Medien und Justiz: "Der eine kann ohne den anderen nicht leben." Dabei müsse sich aber die Anklagebehörde schon aus rechtlichen Gründen in der Öffentlichkeitsarbeit zurückhalten. Roos beklagte den "mangelnden Respekt" mancher Berichterstatter, die es als Niederlage darstellten, wenn das Gericht eine andere Auffassung als die Staatsanwälte vertrete.
"Unsere Aufgabe ist es, zuzuspitzen, abzukürzen und zu vereinfachen", hielt Isabell Funk dagegen. Zudem müsse Juristen-Terminologie für normale Leser oft erst übersetzt werden. Ihre provokante Frage: "Sie fällen Urteile im Namen des Volkes, wieso dann nicht auch in der Sprache des Volkes?"
In der anschließenden Debatte, an der sich viele Richter beteiligten, wuchs die Erkenntnis, die ein Teilnehmer auf den Punkt brachte: "Justiz und Medien leben einfach in verschiedenen Welten." Während Medien immer schneller und knapper würden, halte die Justiz "das Prinzip der Entschleunigung und der Differenzierung" hoch.
Trotz unterschiedlicher Ausgangspositionen: Es gab auch Brückenschläge. Die Justiz brauche eine professionellere Medienarbeit und müsse offensiv auf Journalisten zugehen, forderte nicht nur LG-Präsident Krämer. Vor allem angesichts der Tendenz, dass die Prozessbeteiligten - siehe Kachelmann-Verfahren - ihrerseits immer aufwändigere Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache betreiben.

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