Neue Zahlen In Rheinland-Pfalz sind immer mehr Frauen Opfer von Gewalttaten
Mainz · Frauen werden in Rheinland-Pfalz immer häufiger Opfer von Gewalttaten - sowohl in als auch außerhalb der Wohnung. Der Anstieg sei „äußerst beunruhigend“, erklärt das Familienministerium. Doch in den Frauenhäusern fehlt der Platz.
Im vergangenen Jahr hat es in Rheinland-Pfalz mehr Opfer häuslicher Gewalt gegeben als in den vier Jahren zuvor. Mehr als 13.500 Personen waren betroffen. Im Vergleich zu 2018 hat sich die Zahl der Opfer um 6 Prozent erhöht. Die Opferzahl übertrifft auch die Fälle aus der Corona-Zeit, in der zunächst besonders viel häusliche Gewalt vermutet worden war. Die neuen Zahlen gehen aus der Antwort des rheinland-pfälzischen Innenministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag hervor, die dem Trierischen Volksfreund vorliegt. Demnach ereigneten sich knapp zwei Drittel der 13.500 angezeigten Gewalttaten innerhalb einer Partnerschaft, ansonsten waren es Taten innerhalb der Familie. Zur häuslichen Gewalt zählt die Polizei alle Formen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt - darunter etwa Mord, Vergewaltigung, Körperverletzung und auch Stalking.
Was über die Täter bekannt ist
Drei Viertel der Opfer häuslicher Gewalt waren im vergangenen Jahr Frauen. Ebenso häufig listet die Polizei Männer als Tatverdächtige auf. In der Statistik fällt auf, dass 37 Prozent der Täter zuvor bereits polizeilich aufgefallen war. Wie viele Wiederholungstaten häuslicher Gewalt es tatsächlich gegeben hat, wird von der Polizei allerdings nicht erfasst. Unter den Tatverdächtigen waren laut Innenministerium 70 Prozent Deutsche und 30 Prozent Ausländer.
„Äußerst beunruhigend“: Mehr Fälle oder mehr Anzeigen?
„Der Anstieg der Zahl von Gewaltdelikten gegen Frauen, den die polizeiliche Kriminalstatistik aufweist, ist äußerst beunruhigend“, sagte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Familienministeriums auf Anfrage unserer Zeitung. „Diese traurige gesellschaftliche Realität können wir nicht akzeptieren.“ Man könne allerdings nicht eindeutig sagen, ob der Anstieg der Fälle eine tatsächliche Zunahme der Gewalt abbilde oder ob die betroffenen Frauen diese Straftaten häufiger zur Anzeige bringen würden, so der Sprecher. Bei der Opferberatung Weisser Ring in Mainz würden sich tatsächlich mehr Personen melden, sagte Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die Vorsitzende des Vereins in Rheinland-Pfalz. Die Hilfsangebote seien bekannter geworden und die Menschen sensibler bei dem Thema.
„Häusliche Gewalt ist Alltag“: Bund beauftragt Studie zur Dunkelziffer
Experten gehen allerdings auch von einer hohen Dunkelziffer aus. Eine Studie dazu hat der Bund beauftragt. Deutschlandweit sollen 22.000 Menschen befragt werden, erste Ergebnisse soll es 2025 geben. Denn mehr häusliche Gewalt ist nicht nur in Rheinland-Pfalz ein Problem. Bundesweit war die Opferzahl 2022 im Vergleich zum Vorjahr sogar um 8,5 Prozent angestiegen. „Das Lagebild sollte jeden aufrütteln: Häusliche Gewalt ist Alltag in Deutschland“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu im Juli.
Gewalt gegen Frauen steigt auch außerhalb des Hauses
In Rheinland-Pfalz zeigt sich die negative Entwicklung bei Gewalttaten gegen Frauen auch jenseits des häuslichen Bereichs. Im vergangenen Jahr gab es im Land insgesamt 23.430 weibliche Opfer von Gewalttaten. Im Vergleich zu 2021 stieg die Zahl der gemeldeten Fälle um 14 Prozent. Auch im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 gab es einen Anstieg um 9 Prozent. Besonders auffällig ist dabei die hohe Zahl der Kinder und Jugendlichen unter den Tatverdächtigen.
„Wir brauchen mehr Frauenhäuser“
Die AfD fordert als Ergebnis aus ihren Anfragen ein härteres Durchgreifen. „Bei häuslicher Gewalt bedarf es dringend präventiver Maßnahmen. Hierbei ist die strikte Durchsetzung von Platzverweisen unabdingbar, um Opfer zu schützen und Täter zur Verantwortung zu ziehen“, sagte AfD-Chef Jan Bollinger unserer Zeitung. „Wir brauchen auch mehr Frauenhäuser“, sagte Bätzing-Lichtenthäler vom Weissen Ring. Diese Einrichtungen, die Frauen vorübergehend Schutz bieten sollen, sind in der Regel belegt. Die Quote in den 18 Frauenhäusern im Land sei in den vergangenen Jahren „durchgehend hoch“ gewesen - zum Teil deutlich über 80 Prozent, erklärt das Familienministerium. Derzeit gibt es lediglich in Trier und Idar-Oberstein noch freie Plätze.