Innenminister Lewentz entschuldigt sich für Ringpleite - Ring schuldet Land halbe Milliarde

Mainz · Eine halbe Milliarde Euro (544 Millionen) - so viel schulden nach Angaben des Insolvenzverwalters Jens Lieser die Gesellschafter des Nürburgsrings dem Land Rheinland-Pfalz. Ein dreistelliger Millionenbetrag bleibt nach der Ringpleite am Steuerzahler hängen. Wie viel genau, steht noch nicht fest. Innenminister Roger Lewentz betont: „Keiner beschönigt die Fehler. Wir entschuldigen uns dafür.“

 Innenminister Roger Lewentz. Foto: F. v. Erichsen

Innenminister Roger Lewentz. Foto: F. v. Erichsen

Wer in diesen Tagen in Mainz Sozialdemokraten begegnet, blickt in betretene Gesichter. Der Nürburgringskandal schwelt schon seit Jahren, aber erst nach dem Verkauf der Eifelrennstrecke für 77 Millionen Euro an Privatinvestor Capricorn, einen Autozulieferer aus Düsseldorf, wird allmählich das Ausmaß des Desasters sichtbar.

Das Land bekommt nach der Ringpleite laut Sachwalter Jens Lieser "einen erheblichen Betrag" aus der Verkaufssumme zurück. Wie viel genau und wie hoch der Schaden für den Steuerzahler sein wird - immerhin sind von der damaligen SPD-Landesregierung 330 Millionen Euro in der Eifel investiert worden - stehe erst "in den nächsten Monaten oder Jahren fest", sagte Lieser gestern in einer gemeinsamen Sitzung von Innen- und Wirtschaftsausschuss des Landtags.Handwerker bekommen ihr Geld

Das Insolvenzgericht lege die Verfahrenskosten am Ende des Verfahrens fest. Es lägen auch noch keine Rechnungen von Beratern vor. Ferner sei die Insolvenztabelle noch nicht endgültig. Lieser bezifferte die Gesamtforderung des Landes an die drei Nürburgringgesellschaften auf 544 Millionen Euro. Diese Summe umfasst neben den genannten 330 Millionen Euro für das Freizeitzentrum weitere 107 Millionen für Zinsen, Bearbeitungskosten und Ähnliches sowie noch einmal 107 Millionen Euro an Gesellschafterdarlehen, die zum Beispiel aus früheren Formel-1-Rennen resultieren. Laut Lieser sind die Forderungen nachrangig, sprich andere Gläubiger würden zuerst bedient. Handwerker sollten "in vollem Umfang befriedigt werden".

Mit einer Entscheidung der EU-Kommission, die dem Verkauf zustimmen muss, rechnet Lieser "im ersten Halbjahr dieses Jahres". Auf die Frage, wie er Beschwerden des ADAC und des Vereins Ja zum Nürburgring bewerte, sagt der Ringsanierer: "Ich sehe das gelassen." Es handle sich nicht um Beschwerden, sondern um Eingaben, die von der EU berücksichtigt würden.

Innenminister Roger Lewentz, zugleich SPD-Chef im Land, stellt fest, es sei zu groß, zu viel und handwerklich falsch gebaut worden. Das sei "ernüchternd, aber leider zutreffend". Die politische Verantwortung sei vom damaligen Finanzminister Ingolf Deubel mit dem Rücktritt übernommen worden. Deubel steht zusätzlich vor Gericht. Im Untreueprozess vor dem Landgericht Koblenz fällt am 16. April das Urteil. Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft.

Sollte Deubel verurteilt werden, droht ihm auch finanzielles Ungemach. Regressansprüche gegen ihn sind laut Sachwalter Lieser bis Mitte des Jahres möglich. Minister Lewentz betont, natürlich werde man das prüfen.
Lewentz sagt auf Nachfragen der CDU, die Landesregierung habe "keinen Einfluss auf das Verkaufsverfahren genommen". Sie habe keine Kenntnisse über die Entscheidungskriterien und keine Unterlagen gehabt. Sachwalter Lieser pflichtet bei, mit dem Gläubigerausschuss und mit den Bietern sei strenge Vertraulichkeit vereinbart. Unterlagen dürfe man nicht herausgeben.

CDU-Chefin Julia Klöckner nutzt die Sitzung im Plenarsaal zu scharfer Kritik. Sie spricht von einer "gigantischen Fehlplanung der SPD-Landesregierung mit Landesmitteln". Dies sei beispiellos in der Geschichte des Landes. "Die Millionen, die hier sinnlos verpulvert wurden, fehlen nun an anderer Stelle bei Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern."

Die Grünen zeigen sich erleichtert. "Wir sind ziemlich illusionsfrei in die Koalitionsverhandlungen gegangen", blickt Wirtschaftsministerin Eveline Lemke ins Jahr 2011 zurück. Man habe dem Ring eine Zukunft geben wollen und sei schrittweise vorgegangen. Investor Capricorn gehe jetzt "mit eigenem Geld in die Verantwortung". Der Rückbau bestimmter Anlagen wie des Gastronomiedorfes Grüne Hölle führe "auch zur Marktbereicherung in der Region". Der grüne Abgeordnete Ulrich Steinbach fasst die Meinung seiner Fraktion so zusammen: "Es ist nicht Aufgabe eines Landes, eine Rennstrecke zu betreiben."
Extra Personalplan


Ende des Jahres werden am Nürburgring Arbeitsplätze abgebaut. Durch die von Investor Capricorn geplante Schließung der Grünen Hölle, den Abbau der Achterbahn Ring Racer und die Abschaffung des Bezahlsystems mit der Ring Card werde es "Vakanzen" geben, kündigt Sachwalter Jens Lieser an.
Die Firma Capricorn, für deren Finanzierung es eine Bankbestätigung der Deutschen Bank gebe, werde in der zweiten Jahreshälfte ihr Personalkonzept vorlegen, sagte Lieser.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort