Ins Gefängnis muss keiner

TRIER. Kurz vor dem Jahresausklang fand der Awo-Prozess nach mehrjährigen Ermittlungen und turbulenten Verhandlungstagen ein für die Angeklagten überwiegend gutes Ende.

Es passiert nicht alle Tage, dass der Staatsanwalt das Strafmaß, das er fordert, schon zu Beginn des Plädoyers verrät. Mit seiner Ankündigung, zwei Freisprüche und eine Bewährungsstrafe zu beantragen, nimmt Horst Kruse den Druck von den Angeklagten, erspart ihnen eine Viertelstunde Angst. So viel Menschlichkeit ist selten bei Strafprozessen. Aber sie passt zu dem konstruktiven Beitrag des Koblenzer Anklägers zur Rechtsfindung in diesem Verfahren. Er hat die drei ehrenamtlichen Awo-Vorständler Helmut Propson, Hans Hardt und Hans Weber vor Gericht gebracht, in erster Linie aufgrund der Aussage des Hauptangeklagten, sie hätten von den zur Rede stehenden Geschäften gewusst. In viertägiger Beweisaufnahme waren dafür keine Belege zu finden, und Udo Hermesdorf selbst hat seine Beschuldigung im Laufe des Verfahrens bis zur Unkenntlichkeit relativiert. Da bleibt nicht viel. Der Vorstand habe "frühstücksdirektorenhaft" agiert, sagt Kruse, aber das sei "nicht strafbar". Bei der Awo "herrschte miserables internes Management", keiner habe mehr "den Überblick gehabt". Zu diesem Eindruck hat auch die Aussage des Wirtschaftsberaters beigetragen, der Ende 1999 angesichts der bevorstehenden Pleite hinzugezogen wurde. Der Sanierer zeichnet das Bild eines Unternehmens, bei dem nicht kriminelle Energie herrschte, sondern eine explosive Mischung aus ökonomischem Dilletantismus und sozialem Engagement. Die Macher hätten über "keine übertriebene kaufmännische Intelligenz" verfügt. "Keine übertriebene kaufmännische Intelligenz"

Aber auch das ist nicht strafbar. Und ein Dulden oder gar Mittun bei strafbaren Handlungen vermag der Staatsanwalt bei den Vorständlern nicht mehr zu erkennen. So beantragt er, nach Weber auch Propson und Hardt freizusprechen. Deren Anwälte können nur beipflichten, verweisen auf die schwierige Rolle, die Ehrenamtler bei der Kontrolle wirtschaftlicher Aktivitäten übernehmen müssen. Auch für den Hauptangeklagten findet der Staatsanwalt Worte, die eine Brücke bauen. Er stehe vor den Trümmern seines Lebenswerks, sei bereits "durch die öffentliche Wirkung" bestraft. In der Sache freilich geht die Anklage keinen Millimeter von ihrer Linie ab. Hermesdorf habe persönlich das Gutachten in Auftrag gegeben, das ihm einen Teil des Awo-Komplexes am Römersprudel für knapp 25 000 Euro unter dem realen Wert verschaffte. Dass die Sparkasse die Konditionen des Verkaufs ausdrücklich reklamierte, habe er dem Vorstand verschwiegen. Das ist der dickste Brocken der Anklage. Bei anderen Delikten wie dem rechtswidrigen Verschieben von Geldern der Awo GmbH an den Awo-Kreisverband durch Luftgeschäfte mit einem Eifeler Bauunternehmen, unterstellt niemand persönliche Bereicherungsabsicht. Vergeblich versucht Hermesdorfs Verteidigung ein letztes Mal, dem Vorstand den schwarzen Peter zuzuschieben. "Die Herren waren sicher nicht so unwissend, wie hier dargestellt", sagt Anwalt Herbert Arend. Aber die Prozess-Strategie verfängt nicht, und so sorgt Arends Forderung nach einem Freispruch allseits für Verwunderung. Der Angeklagte selbst räumt Verschulden ein, bestreitet aber "bewusste Straftaten". Er bittet um eine "milde Strafe", die sein weiteres Leben "nicht zu sehr belastet". Richter Helmut Reusch und seine beiden Beisitzer folgen letztlich uneingeschränkt der Argumentation des Staatsanwalts. Aber auch die Urteilsbegründung macht deutlich, dass hier nicht gegen Schwerverbrecher verhandelt wurde. "Hätten Sie nach der Devise ‚Schuster bleib bei deinen Leisten' gehandelt, stünden Sie jetzt nicht hier", sagt Reusch. Und er betont, "dass die hier behandelten Taten sicher nicht ursächlich waren für die Insolvenz der Arbeiterwohlfahrt".

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