Interview: "Das Desaster der FDP hat sich seit längerem abgezeichnet"

Trier · Der Trierer Parteienforscher Uwe Jun sieht schwierige Koalitionsverhandlungen auf SPD und Grüne zukommen. Bei vielen Themen gebe es keine Kompromisse. Mit Jun sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

Ist Kurt Beck Gewinner oder Verlierer?

Jun: Kurt Beck ist weder das eine noch das andere. Aber Beck kann weiter Ministerpräsident bleiben, auch wenn die Grünen natürlich die großen Gewinner sind. Beck ist ja angetreten, mit der Aussage, dass er eine rot-grüne Koalition will. Das hat sich ja durchgesetzt.

Wie erklären Sie sich die Verluste der SPD in Rheinland-Pfalz?

Jun: Sie sind auf jeden Fall ein Stück weit den Skandälchen wie etwa Nürburgring geschuldet.

Die CDU konnte davon aber nicht in gleichem Maße profitieren.

Jun: Es ist ihr besser gelungen als bei der letzten Wahl, ihre Wähler zu mobilisieren. Aber es ist nach wie vor für die Landespartei nicht befriedigend, bei 35 Prozent zu liegen. Denn die CDU ist noch immer ein gutes Stück von ihrer früheren Stärke entfernt.

Ganz besonders ist es den Grünen gelungen, ihre Wähler zu mobilisieren. Wer sind die typischen Grünen-Wähler bei dieser Wahl?

Jun: Sie kommen ganz stark aus dem Nichtwähler-Bereich, die vor allem durch das Thema Atomkraft mobilisiert werden konnten. Auch von der SPD konnten die Grünen Wähler gewinnen, die sich aufgrund der Skandale von den Sozialdemokraten abgewandt haben. Aber auch enttäuschte FDP-Wähler dürften für die Grünen gestimmt haben.

Wo sehen Sie die Knackpunkte einer rot-grünen Landesregierung? Oder anders gefragt: Welche Kröten müssen die Grünen schlucken, wenn sie mit der SPD regieren wollen?

Jun: Es wird auf jeden Fall schwierige Verhandlungen geben zum Beispiel über den Hochmoselübergang und die Mittelrhein-Brücke, gegen die ja die Grünen sind. Genau wie auch gegen den Nürburgring. Da wird es schwer sein, Kompromisse zu finden. Die Grünen werden nach diesem Ergebnis aber wohl sehr selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen gehen und drei Ministerien für sich fordern.

War das Desaster der FDP abzusehen?

Jun: Seit dem Amtsantritt der schwarz-gelben Bundesregierung ist ein Popularitätsverlust der FDP zu erkennen. Der ist nun auch an der Wahlurne eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Das lag auch daran, dass die FDP beim Thema Atompolitik keine gute Figur gemacht hat.

Hat die Äußerung von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle vor dem BDI auch zum Desaster beigetragen?

Jun: Eher weniger.

Wie geht es jetzt weiter mit der schwarz-gelben Bundesregierung, vor allem mit der Atompolitik?

Jun: Der Wähler hat sich eindeutig entschieden, dass die Atomkraft der Vergangenheit angehört. Nun muss man abwarten, wie die Bundesregierung damit umgehen wird. Immer mehr Wähler verlangen eine Änderung der schwarz-gelben Politik hin zu mehr Kontinuität und Stabilität. Personelle Alternativen zu Angela Merkel gibt es aber nicht. wie

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