Interview: Warum Landesinnenminister Lewentz (SPD) gegen Schleierfahndung und für Alkoholverbote auch außerhalb von Stadien ist

Mainz · Soll entlang der Grenzen wieder mehr kontrolliert werden? Und soll es bei Fußballspielen nicht nur in den Stadien Alkoholverbote geben können, sondern auch im Umfeld? Über diese und andere Themen debattieren ab Dienstag in Mainz die Innenminister der Länder. Deren amtierender Chef ist Roger Lewentz. Mit ihm sprach Volksfreund-Redakteur Rolf Seydewitz.

 Innenminister Roger Lewentz (SPD). Foto: Fredrik von Erichsen/Archiv

Innenminister Roger Lewentz (SPD). Foto: Fredrik von Erichsen/Archiv

Im innerparteilichen Streit um die Vorratsdatenspeicherung haben sich die Befürworter um SPD-Chef Sigmar Gabriel am Wochenende durchgesetzt . Warum ist das Gesetz Ihrer Meinung nach so wichtig?
Lewentz: Das Gesetz ermöglicht es den Ermittlern, bei ganz schweren Straftaten die bei den Telefonprovidern gesammelten Daten abgreifen und Straftäter effektiver verfolgen zu können. Meiner Ansicht nach schafft das Gesetz den Spagat zwischen Demokratie, Freiheit und einem starken Staat.

Ein Thema der Innenministerkonferenz ist der Terrorismus: Wie schätzen Sie die aktuelle Gefährdungslage in Deutschland und speziell in Rheinland-Pfalz ein?
Lewentz: Wir hatten die Anschläge von Paris, Belgien und Kopenhagen, dann noch die im Mai zerschlagene rechtsextreme Terrorgruppe OSS in Deutschland. Die Bedrohung ist also näher gekommen und hat Deutschland zumindest partiell schon erreicht.

Die Minister sprechen bei dem Thema auch über die Ausstattung der Polizei: Was muss sich verbessern?
Lewentz: Die Waffen, die etwa von den islamistischen Terroristen benutzt werden, sind andere als man sie bis dato von solchen Terrorgruppen in Westeuropa gekannt hat. Wir müssen mit unseren Spezialeinheiten natürlich dagegenhalten können. Wir brauchen also entsprechende Gewehre und natürlich auch die Schutzausstattung, also schusssichere Westen, die dieses Kaliber aushalten. Und wir brauchen schusssichere Fahrzeuge. Unsere rheinland-pfälzischen Spezialkräfte sind schon damit nachgerüstet.

Was ist mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Ermittler?
Lewentz: Nach den Anschlägen von Paris waren die Polizeipräsidien Trier und Westpfalz in absoluter Alarmbereitschaft. Das traf auch auf die Einsatzkommandos SEK und MEK entlang der Grenze zu, ob die Terroristen nicht womöglich Richtung Rheinland-Pfalz flüchten. Künftig werden wir solche Szenarien verstärkt mit den Nachbarn in Luxemburg, Frankreich und Belgien durchspielen und üben.

Nach dem G7-Treffen waren alle überrascht über die vielen Aufgriffe bei den mobilen Grenzkontrollen. Statt solcher Kontrollen soll es nach dem Willen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann jedoch eine Ausweitung der Schleierfahndung geben. Was sagen Sie dazu?
Lewentz: Ich gestehe den Bayern zu, dass sie wegen der Grenze zu Osteuropa und Südosteuropa eine besondere Herausforderung haben. Diese Herausforderung haben wir im Südwesten überhaupt nicht. Die Grenzen zu Frankreich, Luxemburg oder Belgien bereiten uns solche Probleme nicht. Wir glauben, dass unsere Instrumente absolut ausreichend sind. Aber als Vorsitzender der Innenministerkonferenz werde ich natürlich versuchen, beide Seiten zusammenzuführen.

Die Polizeigewerkschaft hat durchaus Sympathien für die Schleierfahndung …
Lewentz: Mag sein, dass Gewerkschaften auch diese Meinung vertreten. Aber wir Innenminister haben das politisch zu bewerten, und ich sehe das für Rheinland-Pfalz nicht. Wir haben ja auch bei der Mautdiskussion gesagt, dass wir dieses offene Europa, von dem die Region Trier ja auch sehr partizipiert, nicht mit neuen Hürden versehen wollen.

Ein weiteres Thema der Innenministerkonferenz sind die stark zunehmenden Wohnungseinbrüche. Wie wollen Sie der Bandenkriminalität das Wasser abgraben?
Lewentz: Da müssen die Bundesländer noch mehr zusammenarbeiten. Denn oft stecken reisende Banden hinter den Einbrüchen. Die interessieren keine Landesgrenzen. Ich weiß, dass Einbruchsopfer extrem leiden. Mit einer Aufklärungsquote von um die 20 Prozent dürfen wir uns nicht zufriedengeben.

Die Minister beschäftigen sich auch mit dem Thema Fußball, speziell mit gewaltbereiten Fans: Wie wollen Sie den Intensivtätern künftig begegnen?
Lewentz: Natürlich denken wir darüber nach, wie wir die Stadien sicherer machen können. Dazu gehört auch die Überlegung, dass Gästekontingente von jetzt durchschnittlich zehn auf fünf Prozent reduziert oder im Zweifelsfall auch einmal auf null gestellt werden können. Das Potenzial an Störern könnte so gesenkt werden. Denkbar wären auch größere Pufferzonen zwischen den einzelnen Fanblöcken.

Eine andere Überlegung betrifft das Alkoholverbot in Stadien und im Umfeld der Stadien …
Lewentz: Zu den allermeisten Spielen gehören die Bratwurst und das Pausenbier dazu. Aber es kann Spiele oder Situationen geben, in denen man über ein Alkoholverbot in Stadien und im Öffentlichen Personennahverkehr nachdenken muss. Die Fußballverbände sind in diesem Punkt sehr offen. Es betrifft übrigens nicht nur die oberen Ligen, sondern auch Regionalliga oder Oberliga.Zur Person

Roger Lewentz (52) verheiratet, vier Kinder, ist seit Mai 2011 rheinland-pfälzischer Innenminister. Davor war er fünf Jahre lang als Staatssekretär in diesem Ressort tätig. Roger Lewentz ist seit 2012 Vorsitzender der Landes-SPD, zuvor war er unter anderem Generalsekretär der Partei. Er wurde lange Zeit auch als möglicher Nachfolger des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck gehandelt. sey

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