Jeder baut, wie er will: Verliert die Region ihre Identität? - Architekten klagen über Stil-Sammelsurium

Trier · Weiße Würfelbauten, rote Ziegel, Toskanavillen, Bungalows und Erkerchen. In vielen Baugebieten der Region ist erlaubt, was gefällt. Architekten und Denkmalschützer befürchten den Verlust der regionalen Identität und fordern strengere Vorschriften oder bessere Beratung für die Bauherren.

 Ein Haus im Toskana-Stil. Symbolfoto.

Ein Haus im Toskana-Stil. Symbolfoto.

Foto: Mediterran_Haus_Ziegler (Mediterran_Haus_Ziegler)

Typisch bayrisch sind breite Bauernhäuser mit reich verzierten Holzbalkonen, Fensterläden und Wandmalereien. In Norddeutschland erwartet man roten Klinker, Fachwerk und Reetdach. Im Schwarzwald Dächer, die fast bis zum Boden reichen. Und in der Region ist das Trierer Quereinhaus charakteristisch. Ein schlichter, zweigeschossiger Bau, bei dem Wohnhaus, Stall und Scheune nahtlos ineinander übergehen. Viele Regionen Deutschlands haben eine regionaltypische Baukultur. Doch Architekten und Denkmalschützer fürchten, dass sie verloren geht. Dass die Regionen ihre Identität einbüßen. Weil Bauherren fast überall errichten dürfen, was sie wollen. In Neubaugebieten der Region wachsen Toskanavillen mit rosa Säulenportalen neben kubischen Bauhäusern und Zinkdach-Bungalows aus dem Boden. "Es ist ein ungeordnetes Nebeneinander. Da fehlt ein roter Faden der Gestaltung", bemängelt Hans-Jürgen Stein aus Kasel, Vorstandsmitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Die Gemeinden vermieden es, gestalterische Vorgaben zu machen. "Sie befürchten, dass sie die Bauherren abschrecken und diese sich im Nachbarort ein Grundstück kaufen", sagt Herbert Mayer, Beauftragter für regionale Baukultur im Eifelkreis Bitburg-Prüm.

Miserabel und scheußlich findet Marie-Luise Niewodniczanska, die sich seit Jahrzehnten für den Denkmalschutz einsetzt, was sie in Neubaugebieten sieht. "Und umso mehr Geld die Leute haben, umso schlimmer wird es", sagt sie. Niemand habe die Zivilcourage, das Problem anzupacken. Die Bitburgerin fordert, Gemeinden müssten Gestaltungssatzungen erlassen, die Dachneigung und -farben, zu verwendende Materialien oder erlaubte Fensterformen festschreiben.

Etwas mit Regeln zu steuern sei schwer, findet hingegen Stein. Man könne sie nie so groß machen, dass es passt. Mayer und Stein fordern daher eine bessere Bauherrenberatung und moderierte Planungsverfahren. Auch Aloysius Söhngen aus Prüm, Bürgermeister und Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebunds, hält nichts von strengeren Vorschriften. Bauen sei auch Selbstverwirklichung. Der Bauherr müsse die Möglichkeit haben, seine Vorstellungen einzubringen. Ähnlich sehen dies Betroffene selbst: Sie wollen ihr individuelles Traumhaus. Schließlich ist es für viele die größte Investitiondes Lebens.

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