Jeder kann private Daten über Bürger abfragen

Trier · Einwohnermeldeämter geben ohne das Wissen der Bürger deren Daten heraus. Verhindern können das die Betroffenen nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen, etwa wenn das Leben in Gefahr ist. Die Kommunen sehen sich im Recht.

Trier. Wer umzieht, der muss dies seiner Gemeinde mitteilen. Die Bürger sind per Gesetz verpflichtet, dem jeweiligen Einwohnermeldeamt jede entsprechende Änderung mitzuteilen. Doch wenn die Gemeinde diese Daten weitergibt und damit Geld verdient, dann ist sie nicht verpflichtet, das den Betroffenen mitzuteilen. Etwa wenn Firmen oder Privatpersonen Vor- oder Familiennamen, einen akademischen Grad oder die Anschrift wissen wollen.
Eine einfache Melderegisterauskunft, also etwa eine Adressabfrage, könne jedermann beantragen, sagt etwa Jürgen Stadler von der Verbandsgemeinde Irrel. Eine Begründung werde dafür nicht verlangt, erklärt Ralf Frühauf, Sprecher der Stadt Trier. Wer Geburtstag, -ort oder Sterbedatum einer Person wissen will, muss das schriftlich bei der Gemeinde begründen. Für eine Melderegisterauskunft muss man mindestens drei Daten der gesuchten Person haben: Vor- oder Nachname sowie Anschrift und/oder Geburtsdatum.
Kritische Datenschützer


Sieben Euro kostet eine solche Auskunft, zehn Euro werden fällig für eine erweiterte Abfrage, etwa die Auskunft über Staatsangehörigkeit oder den Familienstand. Diese muss aber schriftlich begründet werden. Judith Hartig, Datenschützerin beim rheinland-pfälzischen Landesdatenschutzbeauftragten, sieht die sogenannte voraussetzungslose Weitergabe der Daten kritisch. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern, dass bei einer Änderung des Meldegesetzes eine generelle Widerspruchsmöglichkeit berücksichtigt wird.
Dass also ein Bürger generell der Weitergabe seiner Daten widersprechen kann - und nicht nur bei Auskünften zu Werbezwecken.
Nicht alle Kommunen listen die Einnahmen aus den Melderegisterauskünften gesondert auf. Zwischen 350 und 400 Euro lägen die monatlichen Einnahmen durch gebührenpflichtige Auskünfte, heißt es etwa bei der Verbandsgemeinde Daun. Doch im Vergleich zu Großstädten ist der "Verdienst" der Kommunen durch die Datenweitergabe eher gering. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte herausgefunden, dass im vergangenen Jahr 28 Städte zusammen rund zwölf Millionen Euro mit der Herausgabe von Daten verdient haben. Spitzenreiter war Hamburg mit 1,9 Millionen Euro.
Gebührenfreie Auskunft


Die meisten Anfragen kommen - so die übereinstimmende Auskunft der vom TV befragten Kommunen in der Region - von Behörden, Krankenkassen oder Rentenversicherungen. Für diese sei die Auskunft gebührenfrei. Gebührenpflichtige Auskünfte gehen überwiegend an Anwälte, Notare, Inkassofirmen oder Versandhäuser. Diese fragen jedoch in der Regel nicht selbst bei den Meldeämtern nach sondern über sogenannte Poweruser, professionelle Firmen, die Datenabfragen machen. Oft geht es dabei um nicht bezahlte Rechnungen oder Beiträge. Wer hinter den Abfragen, für die die Gemeinden vier Euro verlangen, steht, das erfahren die Kommunen laut Datenschützerin Hartig nicht. Auch wüssten die Kommunen nicht, was mit den Daten geschehe. Auch Adressbuchverlage oder Parteien dürfen Auskünfte aus dem Melderegister verlangen. Dagegen können Bürger Widerspruch einlegen. Sie können die Weitergabe der gesamten oder einzelner Daten - wie etwa die Religionszugehörigkeit oder das Hochzeitsdatum - an Parteien oder Adressbuchverlage sperren lassen.
Nur unter ganz bestimmten Umständen kann man der Weitergabe der Daten an Privatpersonen oder Firmen widersprechen.
Eine Auskunftssperre kann nur dann ins Melderegister eingetragen werden, wenn durch Bekanntgabe der Anschrift eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder die persönliche Freiheit droht.
Die Auskunftssperre gilt aber nicht für Behörden und sonstige öffentliche Stellen. Diese erhalten weiterhin Auskunft.Meinung

Schluss mit dem Datenverkauf!
Wenn es um ihre persönlichen Daten geht, reagieren viele Menschen sensibel. Wer möchte, dass sie in falsche Hände geraten? Wer will schon, dass jeder weiß, wo man wohnt? Doch jeder, der will, kann jede x-beliebige Adresse erfahren. Ganz legal beim Einwohnermeldeamt. Das Meldegesetz sieht keinerlei Einschränkung für die Weitergabe persönlicher Daten vor. Auch nicht, dass die Betroffenen darüber informiert werden, was über sie an wen herausgegeben wurde. Man bedenke: Jedes Unternehmen, dass unerlaubt, also ohne Einwilligung, Daten von seinen Kunden weitergibt, verstößt gegen das deutsche Datenschutzrecht. Für die Meldebehörden gilt dieses Recht offenbar nicht. Die Kommunen werden damit zu regelrechten Datenverarbeitern. Sie machen mit den sensiblen Informationen ihrer Bürger sogar noch Geld. Und das nicht zu knapp. Angesichts chronisch klammer Gemeindekassen ein nicht zu verachtendes Zubrot. Und das alles vom Gesetz gedeckt. Wen befällt nicht ein mulmiges Gefühl, wenn er nicht sicher sein kann, was mit seinen Daten geschieht - und dabei kaum Möglichkeiten hat, den lukrativen Verkauf durch die Kommunen zu unterbinden? Kommt das neue Meldegesetz, wird es sogar noch schlimmer. Das ohnehin schon löchrige Widerspruchsrecht wird noch weiter eingeschränkt. Schluss damit! Das Datenschutzrecht muss auch für Gemeinden gelten: Keine Herausgabe von Daten ohne ausdrückliche Zustimmung der Bürger. b.wientjes@volksfreund.de

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